Kooperation und Nachbarschaft: Zusammen gut leben

By : Categories : Eine Welt,Gerechtes Wirtschaften,Nachbarschaften,Zähringen Comment: 0 Comment

500 Bewohner in der Stadt, verbunden mit dem Land

Die komplexe planetarische Wirtschaftsmaschine produziert letztendlich alle Güter, die wir zu Hause und in der Nachbarschaft verwenden. Sobald wir unseren alltäglichen Lebenswandel neu ausrichten, so dass wir ökologische und seelische Grenzen berücksichtigen (gesunde Biosphäre und Zufriedenheit), ergibt sich der Rest von selbst.

Zur Zeit ist die Welt geteilt: 20 Prozent »Reiche« verbrauchen 80 Prozent der Ressourcen, während 80 Prozent »Arme« sich die verbleibenden 20 Prozent der Ressourcen teilen. Betrachten wir den ganzen Planeten, als eine Gemeinschaft, dann erscheinen unsere Aussichten auf ein friedliches Zusammenleben finster, falls wir diese Kluft nicht überwinden.

Wir brauchen einen Konsens über ein »gutes Leben« für alle Erdbewohner im Einklang miteinander und mit dem Planeten. Vertrauen und Solidarität, als Voraussetzung für den gemeinsamen und nachhaltigen Gebrauch von Ressourcen, können nur durch Gerechtigkeit geschaffen werden. Klimatische und geografische Umstände können berücksichtigt werden – wir müssen nicht alle auf die gleiche Weise leben -, aber unsere Ansprüche an das Ökosystem müssen ungefähr gleich sein. Ohne Klimagerechtigkeit wird der Klimawandel nicht aufzuhalten sein.

Während die Mehrheit der Menschen an Unterversorgung leidet, ist eine Minderheit in einer Tretmühle von Arbeitsstress und Konsumismus gefangen. Dieser Pfad zwischen Burn out und leerem Trost (= Komfort) ist weder ökologisch noch psychologisch durchzuhalten. Durch bloße Aufrufe zum Konsumverzicht ist er allerdings nicht korrigierbar. Die falschen Identitäten, die heute durch Marken, Gadgets und Moden vermittelt werden, müssen durch Formen des Zusammenlebens ersetzt werden, die es uns erlauben, unsere Persönlichkeit direkt entfalten und darstellen zu können (ua. arbeiten was wirklich wirklich gewollt wird). Das »stahlharte Gehäuse des Kosumismus« (Tim Jackson), das uns an das ökonomische Wachstum kettet, kann nur so aufgebrochen werden. Ein idealer Rahmen dafür sind vielfältige, interaktive Nachbarschaften und das sozialphilosophische Verständnis von NeueArbeit-NeueKultur (Frithjof Bergmann).  Diese Alltagsgemeinschaften garanteren nicht nur existenzielle Sicherheit, sondern auch menschliche Kommunikation, Austausch und gemeinsamen Gebrauch von Gütern, eine gelebte Identifikation. Durch Synergien in diesem Rahmen ist es möglich eine 1.000-Watt-Lebensweise mit bestehenden Technologien zu erreichen und außer dem noch »mehr vom Leben zu haben« (Annette Jensen). Wir brauchen einen »hedonistischen Ausstieg aus dem Konsumismus« (Tim Jackson).

Wie könnte ein gutes Leben in einer Nachbarschaft in den Ländern der gemäßigten Klimazone (Europa, USA usw.) aussehen?

500 Bewohner in der Stadt, verbunden mit dem Land

Eine städtische Nachbarschaft von ca. 500 Mitgliedern wäre verbunden mit einem Stück Land von ca. 100 Hektar, das höchstens 40km weit entfernt ist. Die Stadtbewohner bilden eine Gemeinschaft mit den Landbewohnern, mit denen zusammen sie das assoziierte Landstück bestellen.

Die Größenordnung von ca. 500 Mitgliedern (zwischen 400 und 800) ergibt sich als Synthese verschiedenster Aspekte wie Kooperation, Kommunikation, Universalität, Ökologie, flexible Arbeitsteilung, Generationenmischung, Städtebau, Handlungsfähigkeit, Stabilität, Demokratie usw. Insbesondere stellen solche Nachbarschaften ein ideales Soziotop für nachhaltige Kooperation dar, (»…cooperation can thrive, when cooperators huddle together to form clusters…« Martin Nowak 2011, S. 250), machen also Tausch und Märkte an der Basis überflüssig. Nachbarn sind bewusst »kühle« soziale Einheiten, die eine formelle Organisation brauchen und damit die Bildung von Machtklüngeln und Gruppenegoismen verhindern. Wer engere Gemeinschaften sucht (Wohngemeinschaften, Hausgemeinschaften), kann diese sehr gut in die größere Nachbarschaft einbetten und damit sogar noch ihre Stabilität (internes Umziehen) erhöhen. Selbstverständlich heißt das nicht, dass es nicht auch Nachbarschaften mit 150 oder 1000 Bewohnern geben kann: Man muss sich dann allerdings bewusst sein, dass gewisse Abweichungen vom Modell entstehen und die Infrastruktur redimensioniert werden muss oder der Arbeitsaufwand der Bewohner sich verändert. Der Zusammenarbeit zwischen benachbarten Nachbarschaften sind zudem keine Grenzen gesetzt.

 Ergänzende Hinweise:

 # Lebendiges Zusammenleben in der Nachbarschaft. Projektgruppe bei Transition Town Freiburg, hier.

 # Helfrich, Silke; Bollier, David und Heinrich-Böll-Stiftung (Hrsg.): Die Welt der COMMONS. Muster gemeinsamen Handelns. 2015, hier lesen.

# Heimrath, Johannes: Die Post-Kollaps-Gesellschaft. Wie wir mit viel weniger viel besser leben werden – und wie wir uns heute schon darauf vorbereiten können. 2012.

 # Ostrom, Elinor; Helfrich, Silke (Hrsg.): Was mehr wird, wenn wir teilen. Vom gesellschaftlichen Wert der Gemeingüter. 2012.

 # Helfrich, Silke und Heinrich-Böll-Stiftung (Hrsg.): COMMONS. Für eine Politik jenseits von Markt und Staat. 2012, hier lesen.

# Brand, Ulrich: Wachstum und Herrschaft. Essay. In: Aus Politik und Zeitgeschichte (APUZ) 2012, Heft 27-28, hier online lesen.

# Neustart Schweiz (Hrsg.): Nachbarschaften entwickeln! 2011, hier lesen.

 # Helfrich, Silke und Heinrich-Böll-Stiftung (Hrsg.): Wem gehört die Welt? Die Wiederentdeckung der Gemeingüter. 2009, hier lesen.

 # Vortragsausschnitt „Sind neue urbane Nachbarschaften auch ein Modell für das Leben im Alter?“ von Hans Widmer (Autor und Vorstandsmitglied von Neustart Schweiz), Universität Zürich am 14.11.2012, hier.

Vorstellung des Buches "Kartoffeln und Computer" von P.M., verbunden mit eigenen Gedanken aus der Zukunftswerkstatt Jena 2013. # P.M.: Kartoffeln und Computer. Märkte durch Gemeinschaften ersetzen. 2012.

 # P.M: 1 Nachbarschaft – 500 Bewohner in der Stadt, verbunden mit dem Land – Ernährungssouveränität. 2012.

 # DANACH-Konferenz: Hans Widmer (Autor und Vorstandsmitglied von Neustart Schweiz: Wo liegt das Potenzial multifunktionaler Nachbarschaften? 2012.

 # Bergmann, Frithjof: Arbeit – Untergang oder Aufstieg? 2011.

+

++

# Jackson, Tim: Wohlstand ohne Wachstum. Leben und wirtschaften in einer endlichen Welt. 2011, hier probelesen.

# Jensen, Annette: Wir steigern das Bruttosozialglück. Von Menschen, die anders wirtschaften und besser leben. 2011.

# P.M.: Neustart Schweiz. So geht es weiter. Hrsg.: Christoph Pfluger. 2009.

+

++

 # Bergmann, Frithjof: Neue Arbeit, Neue Kultur. Ein Manifest. 2004.

+

++

# P.M.: Subcoma (Subsistenz – Community – Anti-Patriarchat). Nachhaltig vorsorgen für das Leben nach der Wirtschaft. 2000, hier Probelesen.

+

 # Die Sendung Zeitgeist berichtet in dadaistischer Art über die Stadtutopie bolo’bolo von p.m. Ein neu gesichteter Eingeborenen-Stamm (Bewegte aus der Zürcher Szene) plant ein erstes Bolo am Stauffacher. 1987.

# P.M.: bolo’bolo. 1983.

 # Rezension von bolo’bolo von Tanja Schlemm (2008), hier.

 

 # Ostrom, Elinor: Die Verfassung der Allmende. Jenseits von Staat und Markt. 1999.

About Jörg Beger

Schreibe einen Kommentar

Du musst eingelogged sein um einen Kommentar zu verfassen.

404 Text