Die Commons: Zugang zu Land und Wissen
Der Schwur für den Boden, für den wir kämpfen
„wir tauschen Wissen aus und teilen es, um dauerhafte Strukturen aufzubauen, die ein Leben und eine Stadt ermöglichen, die nicht zum Verkauf stehen und alle willkommen heißt. Wir versprechen, dass wir nichts von dem, was wir lernen, dazu nutzen werden, privaten Wohlstand aufzubauen.“
Die Commons
Menschen können allein nur sehr schwer überleben. Wir sind aufeinander angewiesen. Unser Leben kann nur gemeinsam gestaltet werden. Als Erstes müssen wir uns deshalb von dem ökonomistischen Blick, von einer illusorischen Selbstdefinition als isolierte Wirtschaftssubjekte trennen. Und das nicht aus irgendwelchen ideologischen oder moralischen Gründen, sondern weil es so einfach nicht geht, nicht den Realitäten entspricht.
Wir müssen uns von einem System verabschieden, das uns zwingt, unseren Lebensunterhalt individuell zu erobern, stattdessen gehen wir davon aus, dass es von allem genug gibt und dass wir nur dafür sorgen müssen, dass alle bekommen, was sie brauchen. Die verkehrte Welt des Kapitalismus muss auf die Füße gestellt werden. Wir sehen uns als Teilhaber, mit Rechten und Pflichten, nicht als Konkurrenten.
Als commons bezeichnen wir Arrangements zur Herstellung und Erhaltung von gemeinsam genutzten Ressourcen. Es handelt sich also um eine spezifische Art der Beziehung zwischen Menschen in Bezug auf die Dinge, die für ihre Existenz notwendig sind. Commons brauchen die community, die sie durch kollektives Handeln pflegt und erhält, das commoning genannt wird. Ob etwas ein common ist, hängt also von der Art der Nutzung ab. Commons entspricht im Deutschen der Allmende, das heißt den für alle gleichermaßen nutzbaren Allgemeingütern. Ursprünglich eine Weide, auf der alle gemäß bestimmten Regeln ihr Vieh weiden konnten, wird der Begriff commons heute auf alle lebenswichtigen Güter und Dienstleistungen, seien sie nun materiell oder imateriell, angewandt. Darum verwenden wir den englischen Begriff.
Weltweit gibt es (noch) von allem genug: Nahrungsmittel, Energie, Wasser, Medikamente usw. Das Problem besteht nur darin, dass nicht alle Zugang dazu haben. Und das ist ein Demokratie- bzw. Machtproblem.
Das gemeinsame Wohlergehen wird in der Zukunft auf zwei elementaren Zugangsformen basieren: Zugang zu Land (Nahrung, Rohstoffe, Energie etc.) und Zugang zu Wissen (die Fähigkeit, alle Produktionsmittel zu nutzen und zu verbessern, seien sie nun materiell oder immateriell): Im Grunde geht’s also um Kartoffeln und Computer.
Ernährung und Wissen, Landwirtschaft und Ausbildung stehen im Zentrum vieler politischer Bewegungen, die eine neue globale Gemeinschaft anstreben und zum Teil bereits begründen. Während die Grundprinzipien unangefochten sind und als selbstverständlich gelten, besteht gleichzeitig noch keine Klarheit über geeignete Formen und notwendige Institutionen.
Commons können wir nicht sinnvollerweise auf die Gesetzmäßigkeiten des privaten Profits gründen. Märkte stellen keine Gleichheit her, sondern bilden nur die Mächte und Kräfte ab, die sie benützen. Land und Wissen sollten vielmehr gemeinsam und gemäß den Bedürfnissen von allen genutzt werden. Alle sollten in allen Angelegenheiten gleichermaßen stimmberechtigt sein. Niemand sollte ausgeschlossen werden, aus welchen Gründen auch immer. Der Mensch in seiner Zerbrechlichkeit sollte respektiert werden.
Commons müssen als bewusst gegründete Gemeinschaft verstanden werden. Erst ein Rahmen von Zuverlässigkeit und Gleichheit, sowohl in der Kommunikation als auch in der Selbstorganisation (echte Demokratie), bietet die Voraussetzung für die Nutzung gemeinsamer Güter.
Ohne einen solchen gesellschaftlichen Konsens wird der geregelte Umgang mit unseren gemeinsamen Gütern in einer Tragödie enden, da dieser Planet ökologische Grenzen hat. Gemeinschaftlichkeit heißt nicht Formlosigkeit, sie braucht Institutionen. Über mögliche Formen, Beziehungen und Proportionen müssen wir uns unterhalten und dann verbindlich machen. Eine gewissen Skepsis gegenüber unspezifischem Vertrauen und spontaner Selbstorganisation kann dabei nicht schaden.
Elinor Ostrom (Governig the Commons, 1990) nennt sieben Regeln, die zur Bewahrung der Commons beachtet werden müssen. Diese sind:
+ Klar definierte Grenzen und einen wirksamen Ausschluss von externen Nichtberechtigten.i
+ Regeln bezüglich der Aneignung und Bereitstellung der Allmenderessourcen müssen den lokalen Bedingungen angepasst sein.
+ Die Nutzer können an Vereinbarungen zur Änderung der Regeln teilnehmen, so dass eine bessere Anpassung an sich ändernde Bedingungen ermöglicht wird.
+ Überwachung der Einhaltung der Regeln.
+ Abgestufte Sanktionsmöglichkeiten bei Regelverstößen.
+ Mechanismen zur Konfliktlösung.
+ Die Selbstbestimmung der Gemeinde wird durch übergeordnete Regierungsstellen anerkannt.ii
Die heutigen Verwalter der oligarchischen Kapitalinteressen erweisen sich als nicht verantwortungsfähig. Daher ist ein Aufbruch zu einer umfassenden Demokratie, die nicht nur auf eine willkürlich abgetrennte politische Sphäre begrenzt ist, unabdingbar. Der Kampf für Demokratie ist der Kampf für das Leben auf diesem Planeten (vgl. Moore Lappé: »Das Hungerproblem ist ein Demokratieproblem«).
Die Gesamtbevölkerung des Planeten ist eine kooperative Gemeinschaft, einfach, weil alle dazugehören. Doch sich innerhalb dieser großen Gemeinschaft aus die praktischen, alltäglichen Angelegenheiten zu verständigen ist schwierig – auch mit Hilfe von E-Mail, Facebook und anderen Mitteln. Selbst, wenn es im Moment noch pompös erscheint, über »planetarische Planung« zu sprechen, so werden wir langfristig nicht darum herumkommen, globale Ressourcen gerecht zu verteilen und dafür geeignete Institutionen zu schaffen.
Es kann nicht angehen, dass unser Öl, Wasser und Boden, unsere Rohstoffe, Jagd- und Fischereigründe von denen als exklusiver Besitz beansprucht werden, die sie sich aufgrund historischer Umstände angeeignet haben. Das Gleiche gilt für die immateriellen Güter, Wissenschaft und Technik, die nicht nur denen gehören, die sie zuerst entwickelt haben. Die sogenannte »westliche Zivilisation« ist ein Welterbe, denn sie war nur möglich als Gemeinschaftswerk vieler Zivilisationen (inklusive der indigen-amerikanischen).
Im Sinne von Warren Bufetts Motto, nur in das zu investieren, was wir auch wirklich verstehen, beginnen wir die Betrachtung der globalen Commons am besten, indem wir uns zunächst unserer unmittelbaren Nachbarschaft zuwenden.
# Kooperation und Nachbarschaft: Zusammen gut leben.
# Souveränität in der Versorgung: Abhängigkeiten minimieren durch Relokalisierung
+ Stadtteile und Kleinstädte
+ Großstädte und Regierungen
+ Ein Patchwork von Territorien statt Großnationen
+ Subkontinentale Zweckverbände
+ Planetarische Organisationen
Ergänzende Hinweise 1:
+ Moore Lappé, Frances; Collins, Joseph: 12 Mythen über den Welthunger. 1986.
+ Ostrom, Elinor: Die Verfassung der Allmende. Jenseits von Staat und Markt. Original, engl.: Governing the Commons. The evolution of institutions forcollective action. 1990. 1999.
+ Welzer, Harald; Leggewie, Claus: Das Ende der Welt, wie wir sie kannten. 2009.
+ Onken, Werner: Bodenrechtsreform. Die Erde als gemeinsames Gut aller Menschen, herausgegeben von Sozialwissenschaftliche Gesellschaft 1950 e.V., Diskussionspapier Nr. 02. o.J. (2013?), hier weiterlesen.
# Die drei Sphären der Commons
Die Commons umfassen drei grundlegende Kooperationskreise:
+ Allgemeine Dienstleistungen
+ kreativ/kooperative Initiativen und Projekte
+ Subsistenz in der Landwirtschaft
Jeder Bereich ist ein Aspekt der umfassenden globalen Commons, aber sie sind unterschiedlich sowohl in der Funktionsweise als auch in der Organisation.
# Vom Tausch zur Versorgung
# Demokratische Planung als ökologische Notwendigkeit
# Szenarien für einen Übergangs: Basisbewegung oder Politik?
# Ein »Green New Deal 2.0« made in USA?
# Handlungsfelder für einen Neustart
# Jenseits des Systemdenken: Kultureller Pluralismus
„Sowohl der Markt als auch der Rechtsstaat sind bislang von der Dominanz des Privateigentums am Boden und den Ressourcen sowie von der strukturellen Macht des bestehenden Geldes deformiert. Unter diesen Umständen bleiben auch die jenseits von real existierendem Markt und Staat mühsam aufgebauten Bereiche für Gemeingüter den Gefahren der (Re-) Kapitalisierung und der Spekulation ausgesetzt. Deshalb wäre es wünschenswert, dass die älteren Gedanken über eine Reform der Boden- und Geldordnung und die neueren Forschungen über Gemeingüter zu einem Dialog zusammenfinden. Gemeinsam könnten sie Wege suchen, die bislang monopolisierten Märkte durch gestärkte Rechtsstaaten von wirtschaftlicher Macht zu befreien und vielfältige Formen für die kooperative Verständigung über private Nutzungen von gemeinsamen Gütern und Regeln für einen gerechten Austausch von individuell hergestellten Gütern zu entwickeln“ (ONKEN 2013).
Ergänzende Hinweise 2:
+ Onken, Werner: Bodenrechtsreform. Die Erde als gemeinsames Gut aller Menschen, herausgegeben von Sozialwissenschaftliche Gesellschaft 1950 e.V., Diskussionspapier Nr. 02. o.J. (2013?), hier weiterlesen.
+ Vontobel, Werner: Das Scheitern des Marktes an der Sättigungsgrenze. Teil 1. In: Makroskop. Kritische Analysen zu Politik und Wirtschaft. 2.3.2017, hier lesen.
+ Vontobel, Werner; Widmer, Hans E.: Das Scheitern des Marktes an der Sättigungsgrenze. Teil 2. In: Makroskop. Kritische Analysen zu Politik und Wirtschaft. 24.3.2017, hier lesen.
+ Helfrich, Silke; Bollier, David und Heinrich-Böll-Stiftung (Hrsg.): Die Welt der COMMONS. Muster gemeinsamen Handelns. 2015, hier lesen.
+ Heimrath, Johannes: Die Post-Kollaps-Gesellschaft. Wie wir mit viel weniger viel besser leben werden – und wie wir uns heute schon darauf vorbereiten können. 2012.
+ Ostrom, Elinor; Helfrich, Silke (Hrsg.): Was mehr wird, wenn wir teilen. Vom gesellschaftlichen Wert der Gemeingüter. 2012.
+ Helfrich, Silke und Heinrich-Böll-Stiftung (Hrsg.): COMMONS. Für eine Politik jenseits von Markt und Staat. 2012, hier lesen.
+ Helfrich, Silke und Heinrich-Böll-Stiftung (Hrsg.): Wem gehört die Welt? Die Wiederentdeckung der Gemeingüter. 2009, hier lesen.
+ P.M.: Kartoffeln und Computer. Märkte durch Gemeinschaften ersetzen. 2012.
+ P.M: 1 Nachbarschaft – 500 Bewohner in der Stadt, verbunden mit dem Land – Ernährungssouveränität. 2012.
+ Bergmann, Frithjof: Arbeit – Untergang oder Aufstieg? 2011.
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+ P.M.: Neustart Schweiz. So geht es weiter. Hrsg.: Christoph Pfluger. 2009.
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+ P.M.: Subcoma (Subsistenz – Community – Anti-Patriarchat). Nachhaltig vorsorgen für das Leben nach der Wirtschaft. 2000, hier Probelesen.
+ Ostrom, Elinor: Die Verfassung der Allmende. Jenseits von Staat und Markt. 1999.
iDas bezieht sich natürlich nur auf die jeweils definierten Kreise der Commons.
iiStatt »Regierungsstellen« können wir sinngemäß einsetzen: »nächstgrößerer Kreis der Commons«. Worum es hier geht, ist die notwendige Rückbindung von Gemeinschaften, damit sie nicht in einer isolierten Lebenswelt gefangen bleiben und Kollektivegoismen entwickeln.