Regionale Krisenfestigkeit und Indikatoren
…der kreisfreie Stadt Freiburg im Breisgau
Einführung
Die Bestandsaufnahme des Pestel Instituts Hannover vom Dezember 2010 ist der erste Ansatz einer über die Ökonomie hinausgehenden Zusammenstellung von Kriterien für „Krisenfestigkeit“ oder Resilienz von Regionen. Jeder einzelne Indikator und seine Bewertung sind diskussionswürdig.
Den Kreisen und Städten kann nur empfohlen werden, sich mit möglichen Krisenszenarien wesentlich intensiver zu befassen als bisher. Starke Regionen sind wichtig als Rückfallposition und als präventiver Handlungsraum für mehr Krisenfestigkeit.
Die kreisfreie Stadt Freiburg im Breisgau erreichte bei der Bestandsaufnahme des Pestel Instituts Hannover im Dezember 2010 eine vergleichsweise ungünstige Bewertung der Krisenfestigkeit in zwei von drei Indikatoren im Bereich der „Flächennutzung“ im unteren Drittel der Werte. Diese beiden Indikatoren sind die „Landwirtschaftsfläche je Einwohner“ (siehe unten) und die „Waldfläche je Einwohner“ (siehe unten). Diese Bewertung dürfte aktuell kaum günstiger ausfallen als 2010.
Die kreisfreie Stadt Freiburg im Breisgau erreichte bei der Bestandsaufnahme des Pestel Instituts Hannover im Dezember 2010 eine vergleichsweise ungünstige Bewertung der Krisenfestigkeit in einem von dreien Indikatoren im Bereich des „Wohnen“ im oberen Drittel der Werte. Dieser Indikator ist die „Wohnfläche je Einwohner“ (siehe unten). Die beiden vergleichsweise günstig bewerteten Indikatoren im Bereich Wohnen sind das „Wanderungssaldo der Bevölkerung“ und die „Mieterquote“ im oberen Drittel der Werte.
Es wurden insgesamt 18 Indikatoren aus den Bereichen „Soziales“, „Wohnen“, „Verkehr“, „Flächennnutzung“, „Energie“ und „Wirtschaft“ einbezogen. Die Indikatoren beschreiben die Verletzbarkeit einer Region. Sie zeigen weiterhin, wie gut auch im Krisenfall die Handlungsfähigkeit einer Region oder Stadt durch Flexibilität, Ressourcenausstattung und Sozialkapital erhalten bleibt.
An den beiden frühen Berichten an den Club of Rome – „Grenzen des Wachstums“ und „Menschheit am Wendepunkt“ war Eduard Pestel, der Gründer und Namensgeber des Pest-Institut, als Mitinitiator bzw. Mitautor maßgeblich beteiligt. Die beiden Berichte stellten mit ihrer systemanalytischen Methodik erstmals für die breite Öffentlichkeit die nahezu ausschließlich wachstumsorientierte Wirtschaftspolitik der Industrieländer infrage.
Das Neue war die parallele Betrachtung von Bevölkerungsentwicklung, Wirtschaftswachstum, Energie- und Rohstoffverbräuchen sowie der Nahrungsmittelproduktion einschließlich von Rückkopplungen zwischen diesen Teilsystemen. Mittels Computersimulationen konnten Szenarien über lange Zeiträume gerechnet werden, was die Problematik exponentieller Prozesse eindrucksvoll aufzeigte.
Die Reaktionen in den Medien fanden sich damals allerdings weniger in den Bereichen Politik oder Wirtschaft als vielmehr im Feuilleton oder Kulturressort. Die weite Entfernung der prognostizierten Probleme von der damals aktuellen Gegenwart mögen ein Grund dieser Art der Berichterstattung gewesen sein. Nachdem insbesondere in den 1980er und 1990er Jahren wieder relativ moderate Ölpreise vorherrschten, neue „Katastrophenszenarien“ entworfen und verworfen wurden und sich die Politik mehr mit den zerfallenden Systemen Osteuropas und dem sich wandelnden China auseinandersetzen musste, rücken Fragen der Grenzen des Wachstums inzwischen wieder stärker in den Fokus des Interesse.
Militärs beschäftigen sich mit den Themen wie „Peak Oil“, China will „seltene Erden“ nicht mehr unbegrenzt liefern und der Finanzsektor bringt die Weltwirtschaft mit spekulativen Transaktionen an den Rand des Abgrunds.
War der unter dem Schlagwort „Finanzkrise“ geführte Einbruch der Weltwirtschaft ein singuläres Ereignis oder nur der Vorbote weiterer noch schwerwiegenderer Krisen? Wir wissen es nicht. Sicher ist jedoch, dass die nächste Krise auf jeden Fall kommt.
Dennis Meadows, der die „Grenzen des Wachstums“ 1972 mitveröffentlichte und das Projekt bis heute fortschreibt, ist davon überzeugt, dass der Overshoot, der aus der Überlastung des Planeten entstehende Krisenzusammenhang, nicht mehr abwendbar ist. Daher plädiert er für den Perspektivenwechsel von der Politik der Nachhaltigkeit zur Politik der Krisenfestigkeit (Resilienz).
Doch trotz ständig weiter voranschreitender Globalisierung – deren inzwischen erreichtes Ausmaß eine kurzfristige Versorgung der Bevölkerung aus den Regionen heraus nahezu unmöglich macht – ist eine bewusste Auseinandersetzung mit Krisenszenarien seitens der Regionen bisher eher die Ausnahme.
Hier wollen wir mit unserer Arbeit sensibilisieren. Wir erleben eine „Durchökonomisierung“ aller Lebensbereiche und eine Fixierung auf wirtschaftliches Wachstum. Demgegenüber sind wir der festen Überzeugung, dass gerade in Krisenzeiten anderen Bereichen eine hohe Bedeutung für die Stabilität des Gemeinwesens zukommt.
Die Bestandsaufnahme des Pestel Instituts Hannover vom Dezember 2010 ist der erste Ansatz einer über die Ökonomie hinausgehenden Zusammenstellung von Kriterien für „Krisenfestigkeit“ oder Resilienz von Regionen. Jeder einzelne Indikator und seine Bewertung sind diskussionswürdig. Und genau diese Diskussion möchten wir führen, um dann mit den neuen Erkenntnissen eine neue Bewertung vornehmen zu können.
Die Indikatoren:
Schulabgänger ohne Hauptschulabschluss
SGB II-Quote
Hausärtzteversorgung
Wanderungssaldo der Bevölkerung
Mieterquote
Wohnfläche je Einwohner hier weiterlesen
Verkehrsfläche je Einwohner
ÖPNV-Fahrzeugkilometer je Einwohner
Pkw je 1000 Einwohner
Landwirtschaftsfläche je Einwohner hier weiterlesen
Anteil Ökolandbau an Landwirtschaftliche Fläche
Waldfläche je Einwohner hier weiterlesen
Windkraftleistung je Einwohner
Biogasleistung je Einwohner
Solarbundesliga
Anteil der Beschäftigten am Wohnort, die auch am Wohnort arbeiten
Industriebeschäftigtenquote
Kommunale Schulden je Einwohner
Gesamtdiskussion der Ergebnisse
In einer komplexen und global vernetzten Welt können entfernt entstehende Krisen unmittelbar die Versorgung von Bevölkerung und Unternehmen bedrohen. Selbst eine globale Krise wird tatsächlich erst durch die Konsequenzen vor Ort und in der Region spürbar.
Das Gesamtranking zeigt eine hohe Krisenfestigkeit im Osten und Süden Deutschlands. Für alle anderen Großregionen lassen sich keine pauschalen Urteile abgeben, da die Ergebnisse stark durchmischt sind. Jede Region hat ihre Stärken, aber eben auch ihre Schwächen. In der Gesamtbewertung aller Indikatoren wird die kreisfreie Stadt Freiburg im Breisgau 2010 in der Bestandsaufnahme des Pestel-Instituts als vergleichsweise sehr krisenfest eingestuft.
Insgesamt zeigt die Studie, dass nicht unbedingt internationale Wettbewerbsfähigkeit Sicherheit für die Zukunft signalisiert. Gerade in der öffentlichen Diskussion eher vernachlässigte Bereiche bieten Schutz vor den Auswirkungen von Krisen. Dezentrale Energieerzeugung, soziale Stabilität, Verfügbarkeit von land- und forstwirtschaftlichen Flächen und Arbeitsplätze vor Ort helfen bei der regionalen Abfederung weit mehr.
Comment
Jörg Beger
11. April 2017 at 19:00Appell für den Klimaschutz
Umweltpreisträger reagiert auf Debatte um Dietenbach.
Umweltpreisträger Rainer Grießhammer kritisiert die Tendenz innerhalb des Gemeinderats, im geplanten Stadtteil Dietenbach den Klimaschutz herunterzuschrauben, um günstigen Wohnraum zu ermöglichen. Die Green City schicke sich an, zur Fake City zu werden. Damit reagiert der Geschäftsführer des renommierten Freiburger Öko-Instituts auf die Ratssitzung am Dienstag (die BZ berichtete). Neben dem „massiven Flächenverbrauch“ werde nun auch noch diskutiert, die Energiestandards zu senken. Grießhammer gibt zu bedenken, dass von 2021 an aufgrund einer EU-Richtlinie nur noch Niedrigenergiehäuser gebaut werden dürften. Außerdem habe ein Gutachten im Auftrag der Stadt gezeigt, dass der strenge Standard KfW 40 sogar wirtschaftlicher sei, wenn Heizkosten eingerechnet würden. Die wahren Kostentreiber seien die Grundstückspreise, zu große Wohnungen, Edelausstattungen und unnötige Stellplätze. Beim nächsten globalen Green-City-Ranking könne sich Freiburg „gleich mal in die letzte Reihe stellen“. Rainer Grießhammer war im Jahr 2010 mit dem Deutschen Umweltpreis ausgezeichnet worden. Er hatte Ökobilanzen und CO2-Fußabdrücke eingeführt. Mit seiner Eco-Top-Ten hatte er Hersteller zur Produktion umweltfreundlicher Geräte gezwungen.
Badische Zeitung, Freiburg, 8.4.2017
https://www.badische-zeitung.de/freiburg/appell-fuer-den-klimaschutz–135455943.html
Jörg Beger
20. April 2017 at 13:59Flächeninanspruchnahme
In den Gemeinden des Erhebungsgebiets Region Freiburg liegt der Anteil der Verkehrs- und Siedlungsfläche an der Gesamtfläche zwischen knapp 10 % in ländlichen Regionen und über 40 % im Stadtgebiet von Freiburg.
Die absolute Flächeninanspruchnahme ist zwar in Gebieten mit hoher Siedlungsdichte am größten, doch wird in den kleineren Kommunen bezogen auf die Einwohnerzahl am meisten Fläche beansprucht. In den Städten und Gemeinden in der Rheinebene und der Vorbergzone lag die Flächeninanspruchnahme in der Zeit von 1993 bis 2001 bei 0,5 bis 2 % der Gesamtfläche. Dies entspricht etwa dem Landesdurchschnitt. In einigen Gemeinden wurden mehr als 2 %, in den Kommunen im Schwarzwald meist weniger als 0,5 % Fläche beansprucht.
Bei gleichbleibender Zunahme würde sich der jetzige Siedlungs- und Verkehrsflächenanteil in 100 Jahren annähernd verdoppeln. Dies zeigt, dass die Belange des Bodenschutzes bei der Abwägung der Ziele von Raumplanung, Politik und Wirtschaft künftig noch stärker berücksichtigt werden müssen.
Landesanstalt für Umweltschutz Baden Württemberg (LfU) (Hrsg.): Bodenzustandsbericht Region Freiburg. Stadt Freiburg, Teilräume der Landkreise Breisgau-Hochschwarzwald und Emmendingen. Reihe Bodenschutz Nr. 17, 2004
http://www.fachdokumente.lubw.baden-wuerttemberg.de/servlet/is/20096/bodenzustandsbericht_freiburg.pdf?command=downloadContent&filename=bodenzustandsbericht_freiburg.pdf&FIS=199
Jörg Beger
20. April 2017 at 14:13# Zusammenkunft der Mitgliederversammlung Region Freiburg am Mittwoch, 28. Juni 2017, Neuer Ratssaal der Stadt Freiburg ab 16:15 Uhr. Der Mitgliederversammlung gehören neben den Vertreterinnen und Vertretern der Gebietskörperschaften und den Vertragspartnern (vertreten durch den jeweiligen Bürgermeister bzw. die Bürgermeisterin) auch Delegierte aus dem Gemeinderat der Stadt Freiburg und den Kreistagen der beiden Landkreise an, 104 Mitglieder derzeit insgesamt.
# Region Freiburg: Nachhaltige Siedlungsflächenentwicklung / Regionales Flächenmanagement (KOMREG;REFINA, PFIF) (Flächennutzung / Raumordnung). Die Region Freiburg befasst sich mit einer großen Bandbreite von Themen mit regionaler Relevanz und regionalem Abstimmungsbedarf.
http://www.region-freiburg.de/pb/,Lde/489494.html
Jörg Beger
30. Mai 2018 at 10:27„Ein unfassbares Geschenk sind dabei die Sustainable Development Goals, die anspruchsvoller sind als das derzeitige Gesellschaftssystem sie je einlösen könnte, und doch ein legitimer Rahmen, den wir mit Leben füllen sollten. Vielleicht sollten wir auch lernen, sie positiv zu formulieren, als wirkliche Ziele mit angebbaren Merkmalen. Denn dann – wenn das Ziel klar ist – wird es uns noch leichter fallen, Theorie und Praxis zu vereinen“ (Franz Nahrada 2018), hier: