Dokumentation „Urbanes Gärtnern für den Wandel“ vom 11.10.2013 ~ WandelGarten Vauban

WandelGarten 2013-08-06 088_300dpi_12,51x16,68_qual-12

Urbanes Gärtnern für den Wandel

 

Blumen2_kleinDokumentation der Veranstaltung am 11. Oktober 2013

Veranstalter: Bürgerinitiative WandelGarten Vauban

in Zusammenarbeit mit dem
Stadtteilverein/Quartiersarbeit Vauban

2013-07-11 Bau des 4. Hochbeets 013

Der WandelGarten belebt den Westen

Im Westen unseres Stadtteils entsteht seit Mai 2013 eine weitere Wandelgarten Plan Stand 2013-05-25grüne Oase. Auf dem Gelände des Vereins für autofreies Wohnen e.V. gestaltet eine neue Bürgerinitiative den „WandelGarten Vauban“ neben dem Weidenpalast. Das Projekt versteht sich als Teil der weltweiten Bewegung „Urbanes Gärtnern“ und der „Transition Town Freiburg“. Mehrere Generationen entdecken hier ihre Freude am gemeinsamen Gestalten: Rentner, Berufstätige, Studenten und Kinder aus dem Vauban und auch aus St. Georgen. Sie teilen ihr Wissen und ergänzen sich mit ihren unterschiedlichen Interessen und Fähigkeiten. Im Zentrum steht der Anbau von „Essbarem“ (Gemüse und Obst). Der Garten ist ein Permakultur-Experimen­tierfeld und wird nach und nach eingerahmt von Blumen, Stauden und Beerensträuchern. Er beherbergt inzwischen auch die ersten Bienenstöcke.

Der WandelGarten entwickelt sich auch zu einer einladenden Kommunikationsfläche für Passanten, da er nicht eingezäunt ist. Tram- und Bus-Umsteiger nutzen Wartezeiten und überspringen auch mal eine Bahn, um den Garten zu besuchen. Radler steigen ab und werden neugierig. Die Aktiven des WandelGartens nehmen sich oft Zeit für Gespräche. Besucher wollen wissen: Warum engagiert ihr euch hier? Was ist der Vorteil von Hochbeeten, und wie baut man eines? Bringt ein  „Kartoffelturm“ mehr Ernte? Warum baut ihr seltene Sorten an?

Tag der offenen GartentürIMG_1389

Zwar steht der Garten immer allen Besuchern offen, aber wegen des großen öffentlichen Interesses luden die WandelGärtnerInnen am 28.09.2013 zu einem „Tag der Offenen Gartentür“ ein. Sie boten Führungen über das Gelände an, ernteten gemeinsam mit den Besuchern Kartoffeln und säten eine alte Roggensorte auf einem Versuchsbeet aus.

Veranstaltung „Urbanes Gärtnern für den Wandel“

In Zusammenarbeit mit und gefördert durch den Stadtteilverein und die Quartiersarbeit Vauban organisierte das WandelGarten-Team am 11. Oktober 2013 eine öffentliche und gut besuchte Veranstaltung „Urbanes Gärtnern im Vauban“ im Saal des Stadtteilzentrums Haus 037. Mehrere Stände und Info-Tische erwarteten die Besucher mit Auslagen von Büchern zum Thema (Buchhandlung Ken active) sowie Ernte- und Saatgutproben der Stiftung Samengarten Eichstetten. Am Stand des Vauban-Imkers konnte man Honig erwerben; den gesamten Erlös stellte Wolfgang Berger dem WandelGarten für das geplante Gerätehäuschen als Spende zur Verfügung. Eine Foto- und Videoshow gab einen lebendigen Überblick über die Entwicklung des Gartens in den ersten fünf Monaten. Danach traf man sich bei einer Kürbis­suppe zum Gespräch.

IMG_1431Sechs Podiumsgäste waren am Abend eingeladen, um das Thema aus verschiedenen Blickwinkeln zu beleuchten und zur Diskussion zu stellen. Nach einer Begrüßung durch Monica Lüers vom WandelGarten, Hannes Linck vom Verein für autofreies Wohnen e.V. und Reinhild Schepers vom Stadtteilverein und der Quartiersarbeit übernahm Ronny „Regenwurm“ Müller vom Lebensgarten Dreisamtal (www.lebensgarten-dreisamtal.de) die Moderation. Der Moderator ist Permakultur-Experte und Mit-Initiator des Urbanen Gärtnerns in Freiburg. Mit einem für diese Veranstaltung komponierten Song zum Urbanen Gärtnern (“Worauf wollen wir noch warten, kommt und lasst uns einfach starten, denn die Zeit dafür ist da“) stimmte er mit seiner Gitarre Podiumsgäste und Besucher humorvoll ins Thema ein und führte souverän durch den Abend.

Martin Leser: Erfahrungen und Zukunftsperspektiven

Das Thema „urban gardening“, so Martin Leser, der stellvertretende Amtsleiter des Garten- und Tiefbauamts sowie Leiter der Abteilung Grünflächen der Stadt Freiburg ist für ihn wie „vom Himmel gefallen“. Über die Prinzessinnen­gärten in Berlin und den Kontakt mit der „urban agriculture“ in Basel ist das Thema nun auch in Freiburg angekommen. Das Garten- und Tiefbauamt (GuT) der Stadt Freiburg hat entschieden, auch in Freiburg Flächen in den öffentlichen Grünanlagen dafür zur Verfügung zu stellen. Seine anfängliche Skepsis „Was wird da auf uns zukommen?“ hat sich gelegt. Es gibt inzwischen acht urbane Gärten in Freiburg und er will das „urban gardening“ in Freiburg weiterhin ermöglichen und aktiv begleiten. Er möchte es allerdings nicht vom Amt her steuern, so wie das in AndernachBambis Beet Stadttheater_300dpi_PPT Denis Blümel_qual-12 geschieht, sondern die Bewegung soll „von unten“ wachsen können. Und „da dürfen auch Kraut­köpfe und Architektur zusammen wachsen“, wie vor dem Städtischen Theater. Aber “man wird sehen, wie sich das vor dem Theater entwickelt, wenn der Platz fertig ist – ich bin gespannt“. Martin Leser betonte, dass er insbesondere den sozialen Aspekt beim urban gardening für wichtig hält, denn „es finden sich da Leute ein, die sich sonst nicht so viel ausge­tauscht hätten“. Das weiß er auch aus Basel. Gärtnern hat schon immer verbunden, „das ist nicht eine Erfindung der heutigen Zeit“. Der „Allmende-Gedanke“ kommt wieder zum Tragen, in Bötzingen erinnert der „Allmendweg“ noch daran. Das urban gardening wird von ihm positiv betrachtet und dem Baubürgermeister Dr. Haag liegt es auch sehr am Herzen. Es hat ökologische Vorteile, auch das Interkulturelle ist interessant. Von den teilnehmenden Gärtnern gibt es nur positive Rückmeldungen. Man identifiziert sich mehr mit dem Bereich, wo man wohnt, wenn man dort gärtnert oder mit anpackt, wie bei der Aktion „Freiburg packt an“. Es gibt nur vereinzelt Diebstahl und Vandalismus, während im Kontrast dazu für die Spielplätze wegen Vandalismus viel Geld ausgegeben werden muss. Es gibt auch Kritik von Menschen, denen die Umwandlung der Grünflächen nicht gefällt („Wie sieht das denn aus?“), aber damit kann er leben. Man wird jedoch für die städtischen Flächen mit den Gärtnern Regeln verein­baren müssen („Keine Hütten, keine Zäune, ein Vertrag“), und er weiß, dass er sich damit keine Freunde schafft, da gibt es noch Verhandlungsbedarf und man möchte sich demnächst deswegen zusammensetzen. Falls sich mehr Initiativen bilden, hat das Amt „noch ein paar Flächen im Koffer“.

Monica Lüers: Transition Town – was heißt Stadt im Wandel?
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Monica Lüers wohnt seit den Anfängen mit ihrer Familie im Vauban und ist Mit-Begründerin der Transition Town Freiburg und des WandelGartens Vauban. Die in Irland und England 2006 entstandene und von Rob Hopkins inspirierte Transition Town Bewegung agiert auf drei Ebenen: „Kopf, Herz und Hand“, wobei „Kopf“ für das Denken und die Planung, „Herz“ für das Fühlen und den inneren Wandel und „Hand“ für die konkrete praktische Umsetzung stehen. Anstatt ein Weltuntergangs-Szenario zu propagieren, begreift die Transition Town Bewegung die negativen Entwicklungen (u.a. absehbares Ende des „billigen Öls“, Klimakrise, Finanzkrise) als Chance, unsere Lebensqualität schon jetzt deutlich zu verbessern durch konstruktive Zukunftsvisionen und die Umstellung auf eine regionale, ressourcenschonende und auf das Miteinander der Zivilgesellschaft bauende Lebensweise. Es geht darum, sich von einer ölabhängigen Stadt in eine „resiliente“ Stadt zu entwickeln, also in eine Stadt, die äußere Krisen und Schocks möglichst gut abfedern kann. Um nicht überrascht zu werden, fangen die inzwischen über 130 Transition Initiativen in Deutschland – und mehrere tausend Initiativen weltweit – schon jetzt damit an, ihre Resilienz vor Ort zu erhöhen und warten nicht, bis die PolitikerInnen etwas tun oder das Öl viel teurer wird. In Freiburg gibt es schon viele aktive Menschen in vielen Gruppierungen. Um diese zu verbinden, gibt es das Netzwerk „Freiburg im Wandel“ (www.freiburgimwandel.de), das u.a. halbjährlich zu Vernetzungskonferenzen einlädt, die nächste findet am 16.11.2013 statt. Die Initiative „Transition Town Freiburg“ (www.ttfreiburg.de) wurde Anfang 2011 gegründet. Sie hat inzwischen mehrere Gruppen u.a. „Urbanes Gärtnern“ (www.ttfreiburg.de/gartenkarte), „Gerechtes Wirtschaften“, „Herz und Seele“ und „Authentisch Achtsamer Austausch“, bei denen jede/r mitarbeiten kann. Zu den Schwerpunkten von Transition Town Freiburg gehört auch die Bildungsarbeit durch öffentliche Veranstaltungen wie Filmvorführungen, Vorträge und Workshops. Der nächste Wochenendkurs „Werkzeuge für den Wandel“ (früher „Training for Transition“) wird vom 23.11. bis 24.11.2013 in Freiburg stattfinden.


Denis Blümel: Urbanes Gärtnern – ein Modell der Zukunft?

„Warum ist „Urban Gardening“ so populär?“ fragte Denis Blümel als nächster Podiumsgast. Er studiert Umwelt­natur­wissenschaften in Freiburg mit Schwerpunkt Hydrologie undLogo Urbanes Gärtnern_300dpi_PPT Denis Blümel Bodenkunde, ist Permakultur-Designer und engagiert sich für die Transition Town Freiburg, besonders für die Organisation und Koordination des Urbanen Gärtnerns. Entspricht es einer Sehnsucht nach sinnvollem Handeln und gemeinschaftlichem Aktivwerden? Viele fragen sich, welche Antworten wir auf Themen wie Klimawandel und das Überschreiten des Ölfördermaximums finden könnten. Immer mehr wird klar: eine endliche Erde verkraftet kein unendliches Wachstum, Post-Growth-Strategien werden Thema. Kann Urban Gardening dazu einen Beitrag leisten? Denis Blümel verweist auf Wissenschaft­ler, die im Buch von Christa Müller „Urban Gardening – von der Rückkehr der Gärten in die Stadt“ dazu Stellung nehmen. Menschen sind erfinderisch und haben in Krisensituationen der vergangenen Jahrhunderte in Armen­gärten, Schrebergärten und „Victory Gärten“ in den Weltkriegen einen Teil Baumscheibe_300dpi_PPT Denis Blümel_qual-12ihrer Nahrung in den Städten selber erzeugt. Die urbanen Gärtner experi­men­tieren mit innovativen und prag­matischen Antworten auf komplexe soziale, ökologische und ökonomische Verunsicherungen. Sie sehen sich als Teil des Übergangs zur postfossilen Gesell­schaft und sind ein Puzzlestein des Wandels. Die Merkmale des Urbanen Gärtnerns in Freiburg sind dement­sprechend: graswurzel- und basis­orientiert, offener Zugang, selbst­organisiert, lösungs­orientiert, lokal angepasst, regional, kooperativ, ganzheitlich. Wichtige Impulse stammen aus der Permakultur, der Tiefenökologie, der gewaltfreien Kommunikation, der Resilienz- und Gemeinschaftsforschung sowie der Psychologie der Veränderung. Ziele sind: Bewusstseins- und Umweltbildung, Gemeinschafts­bildung, Empowerment, Gesundheit, Erholung, Ästhetik, global denken & lokal handeln, Resilienz, Ressourcenschonung, Diskussion über Flächennutzung. Denis zeigt am Schluss Beispiele verschiedener Gärten, wie die Gruppen ihre Arbeit koordinieren, mit ihrer Ernte umgehen und wie sie sich finanzieren.

Iris Förster: Vielfalt für den Wandel

Iris Förster ist die Leiterin der im Jahr 2011 eingerichteten Geschäftsstelle von PGemüse_300dpi_PPT Iris FörsterroSpecieRara Deutschland mit Sitz in Freiburg und sieht die Vielfalt unserer Nutzpflanzen als einen unersetzlichen Kulturschatz, den sie und ihre gemeinnützige Organisation erhalten wollen. Als Biologin war sie lange in der Öko-Zertifizierung von Lebensmitteln tätig. Sie stellte vor, wie die Kulturpflanzenvielfalt erst unter der Einflussnahme des Menschen entstand, als mit Beginn der Landwirtschaft vor ca. 10.000 Jahren Wildpflanzen domestiziert wurden, d.h. sie wurden nach und nach züchterisch verändert und den Bedürfnissen des Menschen angepasst. Durch das lange Zusammen­wirken von Kulturpflanzen, standörtlichen Bedingungen und züchterischen Maßnahmen entstand eine große Sortenvielfalt. Aufgrund von verbesserten Züchtungsmethoden, vielen kleinen Züchtern, Zuchtsorten aus guten Land- und Hofsorten etc. war die Sorten­vielfalt gegen Ende des 19. Jahrhunderts riesig. Sorten­bereini­gungen und restriktive Bestimmungen sollten dann ab den 1930er Jahren zu einer Steigerung der Produktivität führen, hunderte von Sorten wurden aus dem Anbau verbannt. Auch in den 1950/60er Jahren wurde einseitig das Ziel der Ertragssteigerung verfolgt, außerdem wurde die Selbstversorgung mit Gemüse vielerorts aufgegeben. Massenware, für lange Transport­wege und Lagerzeiten geeignet, gewann die Oberhand. Konzentrationsprozesse der Saatgut- und Chemiekonzerne taten ihr Übriges. Anfang des 20. Jahrhunderts waren 80% der Bevölkerung Europas in der Landwirtschaft beschäftigt, Kartoffelsorten_300dpi_PPT Iris Försterheute sind es weniger als 5%. Seit Mitte der 1950er Jahre gibt es den Trend zur technischen Modernisierung und Vergrößerung der Betriebe, einhergehend mit der Spezialisierung auf wenige Produktions­zweige und der Arbeitsteilung zwischen Pflanzenzüchtern und Landwirten als Saatgutkonsumenten. Seit den 1960er Jahren greift die Politik nachhaltig in die Landwirtschaft ein. Diese Struktur­veränderungen haben neben vielen anderen ökologischen Problemen auch einen Rückgang der Artenvielfalt bewirkt. Der Verlust von Biodiversität durch das Aussterben von pflanz­lichen und tierischen Arten wird auch als Gen-Erosion bezeichnet. Qualifizierte Schätzungen der WHO über Verluste an traditionellen Landsorten im praktischen Anbau liegen bei 90%. Die 10 weltweit führenden Saatgutfirmen verkauften 2007 ca. 2/3 des gehandelten Saatguts. Welche Veränderungen dieser Prozess weg von der bäuerlichen Züchtung und hin zur gewerblichen Züchtung bewirkt, machte Iris Förster im Detail wie folgt deutlich:

Die bäuerliche Züchtung betrachtet die gesamte Pflanze mit ihren Eigen­schaften und Wechselwirkungen. Züchtungsziel ist Ertragssicherheit, Ange­passtheit an lokale Bedingungen und Bedürfnisse, langer Erntezeitraum. Saatgut ist als Gemeingut verfügbar, wird getauscht und weitergegeben. Bewertet wird individuell nach Geschmack und Aussehen. Zur Ökonomie: die Züchtung ist Teil des bäuerlichen Wirtschaftens.

In der gewerblichen Züchtung wird nicht die ganze Pflanze betrachtet, sondern dabei sind die Gene als „kleinste Einheit des Lebens“ im Fokus. Züchtungs­ziele sind Ertragssteigerung, Uniformität, Resistenzen, gleicher Erntezeitpunkt. Saatgut gilt Konzernen nicht als Gemeingut, sonder als ihr privates Gut und geistiges Eigentum. Die Bewertung erfolgt durch industriell normierte Vorgaben wie AMonokultur_300dpi_PPT Iris Försterussehen und Verarbeitung. Zur Ökonomie: die Züchtung ist gewinnorientiert. Die gewerblichen Züchtungsziele hatten zur Folge, dass sich das Hybrid Saatgut durchgesetzt hat. Hybride entstehen aus der Kreuzung zweier reinerbiger Eltern. Aus diesen eher unzureichenden Elternpflanzen entstehen in der ersten Generation besonders leistungsfähige und homogene Pflanzen. Die Nachkommen der F1‑Hybride jedoch zeigen mindere Eigenschaften und eignen sich nicht zum Nachbau, sie sind unbeständig. Das heißt: Das Saatgut muss jedes Jahr neu gekauft werden – ein Vorteil für die Saatgut-Firmen. Außerdem können sich Hybride, da sie nur einmal gesät werden, nicht verändern oder an einen Standort anpassen, d.h. sie liefern keine Grundlage für eine weitere Entwicklung der Sortenvielfalt. Samenfeste Sorten (auch nachbaufähige Sorten genannt) geben ihre Eigenschaften in einem kontinuierlichen Erbstrom an ihre Nachkommen weiter. Sie sind uneingeschränkt vermehrungsfähig und bilden so eine Grundlage für weitere Züchtungen. Samenfeste Sorten entstehen allein durch züchterische Selektion und ohne Gentechnik. Sie besitzen eine höhere Vitalität als Hybride und weisen häufig mehr Zucker und Trockensubstanz, weniger Nitrat sowie einen charaktervollen Geschmack auf. Wege zum Erhalt der Kulturpflanzenvielfalt sind Maßnahmen außerhalb des eigentlichen Lebensraumes einer Art, hier vor allem die Lagerung von Saatgut in Samenbanken oder Saatgutbibliotheken. Alternativen bieten Maßnahmen innerhalb eines natürlichen Lebensraumes, wie die „on-farm-Methode“, d.h. der Anbau von Kulturpflanzen unter normalen Umweltbedingungen. Das Erhaltungssystem von ProSpecieRara sieht so aus, dass SortenbetreuerInnen zwei Sorten in ihrem Garten anbauen und im Herbst das Saatgut ernten. Von jeder Sorte wird ein Teil im nächsten Jahr wieder ausgesät, ein Teil wird an ProSpecieRara gesandt und ein Teil – sofern genug vorhanden – anderen Menschen für den Anbau zur Verfügung gestellt. SortenbetreuerInnen können dann wiederum auch von anderen Aktiven Saatgut bestellen. Auch Schaugärten können diese Aufgabe übernehmen.

Monika Witte: Die Bedeutung alter Sorten

Die im Fachbereich Obstbau promovierte Diplom-Agraringenieurin und Naturpädagogin Monika Witte vertiefte dieses Thema. Sie ist seit 12 Jahren bei der Ökostation Freiburg als Referentin für Umweltbildung tätig und seit 6 Jahren Mitarbeiterin bei der Stiftung Kaiserstühler Garten in Eichstetten. Dort ist sie tätig im Vorstand und in der Betreuung naturpädagogischer Veranstal­tungen mit Schulkindern, der Koordination und Durchführung von Projekten und Gruppenführungen durch den Samengarten. Fachkundig und engagiert sprach sie über den Samengarten und hatte viele Samenbeispiele zum Vorzeigen mitgebracht. Wie entstand der Samengarten? Den Kaiserstühler Biobauern Christian Hiß störte es vor Jahren gewaltig, dass das Sortiment auf den Äckern und in den Läden immer schmaler wurde unIMG_1418d einige Sorten vom Verschwinden bedroht schienen. Große Firmen dürften nicht diktieren, was mit dem Saatgut geschieht. Er setzte sich daher für eine Sammlung des kulturellen Saatguts ein, die mit der Gründung der Stiftung Kaiser­stühler Garten vor 10 Jahren geschaffen wurde. Die Idee war und ist, robuste und vom Verschwinden bedrohte Sorten anzubauen, die besten auszuwählen, deren Samen weiter­zugeben und aussäen zu lassen, damit sie auch in anderen Gärten angebaut werden und somit viele Menschen zum Erhalt beitragen können. Ein Prozess, der über viele Jahre läuft. Auch Sorten, die irgendwann in unseren Kulturraum gekommen sind, wird die Chance gegeben, sich hier anzupassen. Im Rahmen eines von PLENUM Naturgarten Kaiserstuhl geförderten Projektes werden traditionelle Getreidesorten auf den Anbau in unserer Region geprüft, ob und wie sie für den regionalen Anbau geeignet sind. Es gibt inzwischen Kooperationen mit dem Elsass und dem Bodensee-Gebiet. Und es wurden auch Landwirte gefunden, die die alten Getreidesorten wieder aussäen. Ein „Brot der Region“ soll einmal dabei herauskommen. Die Sojabohne hat es Monika Witte besonders angetan, weil sie große globale Bedeutung hat und auch regionale durch die Firma „Taifun“ als Tofu-Produzenten. Global wird die Sojabohne zu 90% angebaut, um Tiere zu füttern, „damit wir unsere Schnitzel essen können“. In Brasilien werden dafür große Urwaldareale gerodet, und indigene Völker verlieren ihre Heimat. Der regionale Anbau der Sojabohne bei uns wird daher immens wichtig. Während Taifun vor sechs Jahren noch 80% Soja aus Brasilien importierte, kann die Firma heute 90% der Bohnen aus regionalem Anbau bekommen. Taifun hat drei Sorten entwickelt, die hier gut wachsen. Die Dachswanger Mühle hat ein eigenes Silo dafür bauen müssen, um die Bohnen zu lagern. Weiterhin gibt es im Samengarten sogenannte „Ursprungsbeete“, die Sorten aus verschiedenen Regionen der Welt gewidmet sind sowie „Vielfaltbeete“, z.B. 50 verschiedene Tomatensorten. Saatgut kann man über die folgende Adresse beim Samengarten online bestellen: www.kaiserstuehler-garten.de.

Hartmut Wagner: Der WandelGarten – ein Experimentierfeld

Hartmut Wagner knüpft daran an und berichtet, wie der „WandelGarten Vauban“ diese Anregung aus dem Samen­garten vor kurzem aufgegriffen hat. Versuchs­beete mit „Waldstauden-Korn“, der ältesten bekannten Roggensorte, wurden angelegt. Der Garten sei vor allem ein Experimentier­feld, denn so wie der neue Stadtteil Vauban sich in einem Feld „lKürbisse am Erdhügel  - Augusternender Planung“ experimen­tier­freudig entwickelt habe, hat das Wandel­Garten­Team Freude am Experimen­tieren und Gestalten neuer Formen gemein­schaftlichen Gärtnerns. Leitbilder dafür seien die Prinzipien der Transition Town Freiburg und die drei Säulen der Perma­kultur: Earth Care, People Care, Fair Share. Sich um die Erde und die Menschen kümmern, gerechtes Teilen. Was heißt „Earth Care“? Die WandelGärtnerInnen wollen zum Beispiel robuste Sorten bevor­zugen, ressourcen­schonende Bearbeitungsformen wie Sensen und Grubbern (statt Rasenmähen mit Motorgeräten) nutzen, sich in alten Kultur­techniken und Anbauformen auch auf versiegeltem oder verdichtetem Boden erproben. So haben wir zunächst perma­kulturell geschichtet Hoch­beete mit unbehandelten Einwegpaletten gebaut, die wir als Recycling-Material ausfindig machten. Die Hochbeete stellten wir an einem sonnigen Platz auf und richteten sie fächerförmig im Halbrund auf eine Symbolpflanze hin (ein Wandelröschen) aus. Mit einer LKW-Ladung Erde vom Mundenhof, die vom Gartenamt als Initialzündung geschenkt wurde, füllten wir die Beete in der obersten Schicht. Dort setzten wir die von einer Biogärtnerei geschenkten Pflanzen ein und waren erstaunt über den üppigen Wuchs und Ertrag von Salat, Tomaten, Gurken und Kürbissen. Drei Bodenanalysen verschiedener Institutionen zeigten: auf dem Gelände gibt es 10-20 cm mageren Erdboden an der Oberfläche, darunter eine teils dicke Steinschicht, darunter verdichte­ten Lehmboden. Eine Herausforderung, die jeder im Vauban kennt, der gärtnern will. Es gibt jedoch keine Schwer­metalle oder andere Umweltgifte in der oberen Schicht. Das Umweltamt der Stadt teilte auf Anfrage ebenfalls mit, dass einer gärtnerischen Nutzung aus umwelt- und gesund­heitlichen Gründen nichts entgegenstehe. Kartoffeln im Strohbeet zur Boden­lockerung und vertikales Gärtnern in einem Kartoffelturm waren weitere Experimente, die wir auswerten und weiterführen wollen. Mit Mulchen, Gründüngung, Permakultur und effektiven Mikro­organismen wollen wir den Boden konstant verbessern, aber auch weitere Hochbeete bauen. Unter „People Care“ verstehen wir, gute Kommunikationsformen intern und im Kontakt mit den Besuchern einzuüben, zu pflegen und wichtige Entscheidungen gemeinsam zu treffen. Der Garten an der Umsteigestelle von der Tram zum Bus erweist sich dabei als idealer Kommunikationsort. Besucher nutzen die Wartezeiten, überspringen manchmal eine Tram und stellen Fragen. Die Hochbeete stehen dabei im Zentrum mit Fragen zum Aufbau und wie man sie im eigenen Garten errichten könnte. Zum Thema „Fair 2013-10-19_Gartenaktion Klee u.a. 025Share“, dem gerechten Teilen der Ernte, gibt es verschiedene Meinungen in der Gruppe, wie und mit wem die Ernte geteilt werden soll: im Kreis der Aktiven, mit gelegentlich Helfenden, mit Kindern, mit den Straßenbahn­fahrern, die uns in ihrer Pause besuchen, mit allen Passanten? Die Gruppe will die Frage „Wir teilen die Ernte – aber wie?“ im Winter klären und das Thema „Commons“ (Allmende) in ihre Überlegungen mit einbeziehen. Der Garten erhält auch immer wieder Besuch von Schulklassen oder, wie im Foto abgebildet, von einer Gruppe „urban gardeners“ aus ganz Europa, die sich in Freiburg zum Erfahrungs­austausch getroffen haben.

 

 

Fotos: Monica Lüers, Barbara Schlüter, Clara Weise-Wagner, Hartmut Wagner, Iris Förster, Denis Blümel

Logo WandelGarten: Hannah Prinz

Text: Hartmut Wagner, 2013

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