Klimakrise und gesellschaftliche Transformation in Zeiten von Corona: Autoritäre Krisen- und Notstands- verwaltung oder sozialer Widerstand für eine Kultur der Selbstorganisation in einer selbstbestimmten Gesellschaft

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Die große Zeit des staatlich regulierten und sozial abgefederten Kapitalismus, der auf der Massenarbeit im Industriesektor und einer starken Binnenwirtschaft beruhte, ist schon lange vorbei und lässt sich auch nicht wieder zurückholen. In der Epoche der Finanzialisierung und Globalisierung sind aber die Handlungsspielräume der Staaten immer enger geworden, weil sie alles dafür tun müssen, um das eigene Territorium als Standort für das Kapital attraktiv zu halten und vor allem den Zufluss von fiktivem Kapital zu sichern.

Seit durch die Dritte industrielle Revolution immer mehr Arbeitskraft in der Warenproduktion „überflüssig“ gemacht wurde, hat sich die Akkumulation von abstraktem Reichtum in die Finanzmärkte verlagert und dort eine atemberaubende Dynamik entwickelt, die auf dem Vorgriff auf zukünftigen Wert in der Gestalt von Finanztiteln beruht (fiktives Kapital). Deshalb bleibt den Staaten gar nichts anderes übrig, als in den wiederkehrenden und mit jedem Mal schärferen Finanzkrisen alles zu tun „was nötig ist“ (Mario Draghi), um das Finanz- und Bankensystem vor dem Zusammenbruch zu retten.

Das wird auch in der Corona-Krise nicht anders sein. Denn zwar weicht der Verlauf dieser Krise von den Finanzkrisen der letzten Jahrzehnte insofern ab, als sie von dem politisch verfügten Herunterfahren der wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Aktivitäten ausgelöst worden ist und sich daher auch direkt auf die „Realwirtschaft“ auswirkt. Trotzdem hat sie sogleich auch auf die ohnehin schon überreizten Finanzmärkte übergegriffen und dort gewaltige Erschütterungen ausgelöst, deren Konsequenzen noch nicht absehbar sind.

Es ist daher leicht vorherzusagen, dass die Prioritäten der Regierungen und Zentralbanken sehr bald wieder auf der Rettung des Banken- und Finanzsystems liegen werden. Denn wenn dort die Lawine ungedeckter Zukunftsversprechen abgeht, wird sie auch große Teile der „Realwirtschaft“ und öffentlichen Versorgung mit sich in den Abgrund reißen.

Im Unterschied zu 2008/2009 sind aber diesmal die geldpolitischen Instrumente der Zentralbanken schon sehr weitgehend ausgereizt, und außerdem ist auch auf weltpolitischer Ebene nicht zu erwarten, dass sich die großen Wirtschaftsmächte auf ein gemeinsames Vorgehen einigen werden.

Vielmehr zeichnet sich ab, dass jede von ihnen ihre eigenen Interessen auf Kosten der anderen verfolgt und der ohnehin schon existierende Trend zur nationalistischen und regionalen Abschottung eine zusätzliche Dynamik gewinnt. Die deutsche Regierung im Frühjahr 2020 machte das gerade vor, indem sie mit ihrer Ablehnung der Eurobonds den Sprengsatz an die EU legt, was nicht nur infam und schäbig ist, sondern auch noch borniert, weil die Bundesrepublik objektiv am meisten von der europäischen Einheit und dem Euro profitiert. Doch der Nationalismus folgt seiner eigenen, gefährlichen Logik, die keinesfalls funktional im ökonomischen Sinne sein muss…

Fundstelle: https://www.heise.de/tp/features/Klimakrise-und-gesellschaftliche-Transformation-in-Zeiten-von-Corona-4708238.html?seite=all

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