Wege in eine menschengerechte Wirtschaft durch gesellschaftliche Weichenstellungen
„Man muss bei den Vermögen ansetzen: 1. Grund und Boden (inklusive den darauf befindlichen Immobilien) , 2. Anteile an Unternehmen, 3. Geldvermögen“ (Kreiß 2013).
„Unsere Wirtschaftsordnung führt dazu, dass sich etwa alle 70 Jahre periodisch wiederkehrende Blasen bilden, die schmerzlich bereinigt werden müssen, sei es über Wirtschafts- und Finanzkrisen, die Elend und Not mit sich bringen, oder zerstörerische Prozesse wie Aufruhr, Chaos, Bürgerkrieg oder sogar Krieg. Auch die derzeitige Finanz- und Wirtschaftsrise ist das Egebnis ungehemmter, unhaltbarer, krebsartiger Akkumulationsprozesse der letzten knapp 70 Jahre seit 1945, die nun zu einer Bereinigung drängen“ (Kreiß 2013).
Der Grund für die Misere in Wirtschaft und Finanzen: Unsere Eigentumsordnung
„Unsere Eigentumsordnung – sowie die in fast allen anderen Ländern – erlaubt mengenmäßig und zeitlich unbegrenztes Eigentum an den drei Hauptvermögensarten
1. Grund und Boden mit den darauf befindlichen Immobilien,
2. Produktionsvermögen (Eigentum an Unternehmen in Form von Aktien oder anderen Unternehmensanteilen) sowie
3. Geldvermögen.
Einzelne Bürger können Verfügungsgewalt über Ressourcen in Form von Geld, Produktionsanlagen, Grund und Boden in beliebiger Höhe und ohne jegiche Rechtsgrenzen anhäufen und dadurch beliebig große ökonomische Macht erringen.
Beispielsweise kann Grund und Boden mit den gegebenfalls darauf befindlichen Immobilien – wie Wohnhäuser oder Gewerbeimmobilien – von einzelnen Menschen in beliebiger Höhe erworben werden. Es gibt keinerlei rechtliche Beschränkungen für Großgrundbesitz landwirtschaftlicher oder anderweitig genutzten Bodens. Der größte Teil des deutschen Bodens befindet sich in Händen von etwa einem Zehntel der Bevölkerung. Gleiches gilt für Unternehmensanteile: Einzelne Menschen können Millionen, ja Milliarden von Aktion oder andere Anteile an verschiedenen Unternehmen besitzen. Die gesamten deutschen Unternehmen, soweit sie in Besitz von Inländern sind, gehören ebenfalls etwa einem Zehntel der deutschen Bevölkerung. Dasselbe gilt für Eigentum an Geldvermögen wie Staatsanleihen, Unternehmensanleihen oder Bankeinlagen, die ebenfalls sehr ungleich verteilt sind. Für alle Arten von Vermögen gibt es keinerlei rechtliche mengenmäßige Eigentumsbeschränkungen.
Die unentgeldliche Weitergabe von Eigentum an natürliche Personen, insbesondere die eigenen Kinder, in Form von Schenkungen oder Vererbung abzüglich Erbschafts- und Schenkungssteuer, ist in fast allen Ländern der Erde in beliebiger Höhe rechtlich erlaubt, so dass auch zeitlich aus Familien- bzw. Sippensicht der Verfügungsgewalt über Eigentum keinerlei rechtliche Grenzen gesetzt sind“ (Kreiß 2013).
Die Ursache für das Versagen der Wirschaftswissenschaft: Der Glauben an weltanschauliche Axiome
„Um Professor der Volkswirtschaftslehre in Europa. USA und Teilen Asiens zu werden, muss im Normalfall habilitiert werden. Um habilitiert zu werden, muss man in der Regel mehrere wissenschaftliche Aufsätze in führenden Zeitschriften der Ökonomie veröffentlichen.
Die führenden etwa 70 bis 100 Ökonomie-Wissenschaftsjournale der Erde sind englischsprachig und stammen praktisch alle aus dem angelsächsischen Raum. Die Aussagen in diesen Zeitschriften beruhen im Wesentlichen auf einigen wenigen, angelsächsisch geprägten Grundaxiomen der Ökonomie. Die wichtigsten davon sind:
1) Unbegrenztes Eigentum an Grund und Boden, Geldvermögen und Unternehmensvermögen ist gut und richtig.
2) Zinseszins ist gut und richtig“ (Kreiß 2013).
„Der heutige intellektuell-weltanschauliche Selektionsprozess in den marktwirtschaftlich orientierten Ländern ist verblüffend ähnlich dem intellektuell-weltanschaulichen Prozess im früheren marxistischen Ostblock. Es handelt sich um ein System der Nomenklatur. Die in den Ämtern befindlichen Wissenschaftler denken und lehren nach bestimmten weltanschaulichen Grundsätzen und berufen ihre Nachfolger nach eben diesen weltanschaulichen Glaubenssätzen. Die Pluralität ist dabei, was zentrale Wertfragen anlangt, nur eine scheinbare. In Wiklichkeit hören Pluralität und Toleranz bei Infragestellung kapitalistischer Grundsätze auf“ (Kreiß 2013).
„Es ist in gewissem Sinne eine tragische Situation. Wenn man über Jahrzehnte in einem bestimmten Gedankengebäude lebt, ist es psychologisch extrem schwer, dieses Gebäude komplett in Frage zu stellen. Man würde damit gewissermaßen sein eigens Lebenswerk zerstören“ (Kreiß 2013).
„Es stellen sich die tiefer liegenden Fragen: Weshalb werden eigentlich gerade die oben beschriebenen Axiome als Grundpfeiler der Ökonomie verwendet und nicht völlig andere? Weshalb hängt der größte Teil aller Ökonomen heute sein Herz an diese schlechten Axiome, die zu ungerechten, unsozialen und schädlichen sozialen Zuständen sowie Umweltzerstörung führen und mit denen man die zentralen Ursachen der derzeitigen Krise praktisch nicht erkennen und daher auch nicht therapieren kann?
Dies führt zu Interessens- oder Machtfragen: Wem nützen diese Axiome? Ganz offensichtlich profitiert vom gegenwärtigen System eine kleine Minderheitvon sehr reichen und einflussreichen Menschen. ‚Die Wirtschaftswissenschaft hat seit Jahrhunderten die Interessen der jeweils herrschenden Klasse verteidigt‘, sagt der Ökonom und Unternehmensberater Wolfgang Berger und trifft damit vermutlich den Nagel auf den Kopf“ (Kreiß 2013).
Ergänzende Hinweise:
# Transition Town Freiburg: REthink economy. Arbeitspapier. 24.3.2018, hier.
# Burka, Uwe: Eine zukunftsfähige Geld- und Wirtschaftsordnung für Mensch und Natur. Korrigierte Auflage, 2017.
# Konzeptwerk Neue Ökonomie e.V. (Hrsg.): Zeitwohlstand. Wie wir anders arbeiten, nachhaltig wirtschaften und besser leben. 2014.
# Kreiß, Christian: Profitwahn. Warum sich eine menschengerechtere Wirtschaft lohnt. 2013.
# Skidelsky, Robert; Skidelsky, Edward: Wieviel ist genug? Vom Wachstum zu einer Öknomie des guten Lebens. 2013.
# Berger, Wolfgang: Anleitung zur Artgerechten Menschenhaltung. Wo Potenziele sich entfalten dürfen, macht Arbeit richtig Spaß. 2012.
# Krysmanski, Hans Jürgen: 0,1 Prozent. Das Imperium der Milliardäre. 2012.
# Wilkinson, Richard; Pickett, Kate: Gleichheit ist Glück. Warum gerechte Gesellschaften für alle besser sind. 2012.
# Binswanger, Hans Christoph: Die Glaubensgemeinschaft der Ökonomen. 2011.
# Frick, Joachim; Grabka; Joachim: Gestiegene Vermögensungleichverteilung in Deutschland. Deutsches Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) Berlin. 2009.
# BEIGEWUM (Hrsg.): Mythen der Ökonomie. Anleitung zur geistigen Selbstverteidigung in Wirtschaftsfragen. Beirat für gesellschafts-, wirtschafts- und umweltpolitischen Alternativen (BEIGEWUM). 2005.
# P. M. Subcoma. Subsistenz, Community, A-Patriarchat. Nachhaltig vorsorgen für das Leben nach der Wirtschaft. 2000.
# Saiger, Helmut: Die Zukunft der Arbeit liegt nicht im Beruf. Neue Beschäftigungs- und Lebensmodelle. 1998.
# Onken, Werner: Modellversuche mit sozialpflichtigem Boden und Geld. 1997.
# Papke, Götz: Dauerhafte Arbeit. Neue Arbeit durch Selbstversorgung. New Work for a sustainable Planet. 1997.
# Diefenbacher, Hans; Douthwaite, Richard: Jenseits der Globalisierung. Handbuch für lokales Wirtschaften. 1996.
# Herrmannstorfer, Udo: Scheinmarktwirtschaft. Die Unverkäuflichkeit von Arbeit, Boden und Kapital. 1992.