Digitalisierung: “Rückfall ins Neo-Mittelalter”
Der bekannte Ökonom Niko Paech ist überzeugt, dass Wachstum nicht von ökologischen Schäden entkoppelt werden kann und warnt durch die Digitalisierung vor einem “Rückfall ins Neo-Mittelalter”. Statt mehr Wachstum fordert er konsequente Suffizienz.
Die Rohstoff-Basis für weiteres Wirtschaftswachstum schwindet. Die nötigen Flächen, Mineralien und fossilen Brennstoffe werden knapper. Als eine Lachnummer hat sich die Hoffnung herausgestellt, wir könnten die Abhängigkeit von physischen Rohstoffen überwinden, indem wir die Digitalisierung und somit eine vermeintlich entmaterialisierte Wertschöpfung vorantreiben. Das genaue Gegenteil ist der Fall.
Die Digitalisierung selbst hat deutlich physische Konsequenzen: Wir brauchen Unmengen an Energie, denken Sie nur an die Server-Farmen von Google. Und: Digitale Systeme sind nicht in der Lage, die Material-Intensität unseres Wohlstandes zu reduzieren. Weder Industrie, Häuser noch Autos oder Flugreisen lassen sich digitalisieren. Ebenso kein Rotwein, keine Pizza oder Rosen. Die dazu nötige Materie wird sich niemals durch Virtualität ersetzen lassen. Da bauen einige Wissenschaftler an Luftschlössern, etwa wenn sie behaupten, die digital vereinfachte Gemeinschaftsnutzung würde die materielle Produktion senken. Airbnb, Uber oder das Carsharing tragen gerade nicht zur Ent-, sondern zusätzlichen Belastung der Ökosphäre bei. Die Digitalisierung eröffnet neue Welten der materiellen Aufrüstung, allein wegen des ständigen Neuanschaffens entsprechender Endgeräte. Darüber hinaus beschleunigt sie jeden ökonomischen Prozess, der Energie und Materie braucht sowie Abfälle und Emissionen erzeugt. Ohne digitale Kommunikationsmittel wären Verkehr, Konsum und Produktion auf einem weitaus geringeren Niveau.
Unter dem “Rückfall ins Neo-Mittelalter” verstehe ich einen historischen Treppenwitz. Einst schickten sich Gesellschaften an, mit Hilfe technischen, ökonomischen und politischen Fortschritts die Schicksalsabhängigkeit des düsteren Mittelalters zu überwinden. Nun hat die digitale Moderne einen Zustand entstehen lassen, der uns schicksalsabhängiger hat werden lassen, als wir es je waren. Erstens sind wir transparent und kontrollierbar geworden, zweitens ist unser ganzes Leben, selbst sozialen Beziehungen, abhängig von digitaler Kommunikation. Wenn sie entfiele, würden wir ohne diese Technik von heute auf morgen handlungsunfähig. Drittens ist die Digitalisierung unvermeidlich mit einer ökonomischen Machtkonzentration verbunden, die es noch nie gab.