„Worauf warten wir noch?“
Wer hätte geglaubt, dass der inoffizielle internationale Champion aller Transition-Städte (Städte im ökologischen und sozialen Übergang) eine kleine französische Stadt im Elsass ist? Das sagt niemand geringeres als Rob Hopkins, einer der MitGründer der Transition Bewegung in Totnes, Großbritannien.
Es war erst der Anfang. 2011 hat sich Ungersheim der Transition-Bewegung angeschlossen, initiiert vom Briten Rob Hopkins. Orte des Übergangs bzw. Wandels wie Ungersheim, die umfassend ökologisch wirtschaften und die partizipative Demokratie stärken, gibt es auch in Deutschland und anderswo in Europa. Freiburg oder Karlsruhe haben auch „Transition-Town-Initiativen“. Hopkins war begeistert, wie konsequent Mensch seine Ideen in Ungersheim umgesetzt hat. Wie das kleine 2200-Einwohner-Dorf sich auf den Weg macht, energieautark zu werden. Und das in einem Land, das zu 75 Prozent von Atomstrom abhängt und in dem mehr als ein Drittel der Haushalte mit Strom heizen.
Ungersheim ist ein Dorf wie jedes andere. Keines von der malerischen Sorte, von denen es im Elsass so viele gibt. Ein Bäcker, ein Gasthaus, das derzeit geschlossen hat, ein großer Parkplatz und das Rathaus. Wer sich um die Mittagszeit zufällig in der Nähe der Grundschule aufhält, staunt allerdings nicht schlecht. Da zuckelt ein Pferdewagen vorbei, gezogen vom Gaul Richelieu,
und nimmt ein Dutzend Kinder in Empfang, um sie dann nach Hause zu fahren. Um halb zwei Uhr sammelt sie der Kutscher wieder ein und liefert sie in der Schule ab. Sicher, viele Jungs und Mädchen werden mit dem Auto zum Unterricht gebracht. Nach wie vor. Das mit der Kutsche ist ohnehin „nur ein Baustein von vielen“. Dies sagt Jean-Claude Mensch, der Bürgermeister.
Ist er naiv? Nein, antwortet Mensch, er sei Realist und Idealist. Ohne Ideale könne der Mensch nicht leben. Das ultraliberale Wirtschaftssystem sei am Ende. „Wir versuchen etwas anderes. Andere Lebensformen sind möglich“, beteuert er. Lokale Politik sei zum großen Teil Überzeugungsarbeit. Zum Beweis verlegt er das Gespräch an den Dorfrand zu den Gemüsefeldern. Hier steht der Rohbau für den Biohof der Gemeinde, architektonisch ansprechend von außen, wärmedämmend nach innen. Ein Dutzend Bürger hat regelmäßig mit angepackt.
Das Dorf im Elsass und sein Bürgermeister, sie haben noch viel mehr in Gang gesetzt – und das Interesse der französischen Medien geweckt. Ein Film der Journalistin und Aktivistin Marie-Monique Robin zeigt: Ungersheim ist kein Dorf wie jedes andere. Hier, so scheint es, packt man die Dinge an, an der Wurzel, ist Vorreiterin – auch wenn dies manchem Durchschnittsfranzosen kurios erscheinen mag. „Was mich besonders begeistert hat, war, dass die Menschen hier den Begriff von Gemeinschaft und Gemeinwesen mit neuem Sinn gefüllt haben“, sagt die Filmemacherin. „Was erwarten wir von der Zukunft, von unserem Leben, von uns und von den anderen? Das sind die entscheidenden Fragen.“ Ihre Dokumentation hat Robin also „Qu’est-ce qu’on attend?“ („Was erwarten wir?“) genannt. „Alles steckt in dieser einen Frage“, sagt auch Bürgermeister Jean-Claude Mensch… weiterlesen, hier.
«Worauf warten wir noch?» erzählt die wunderbare Geschichte, wie eine kleine elsässische Stadt mit gerade einmal 2.200 Einwohnern ihren eigenen Transformationsprozess in die Post-Öl-Ära mit geringer Umweltbelastung in Gang setzt. Weiterlesen, hier.
A Film Review of ‘Qu’est-ce qu’on attend?‘, Marie-Monique Robin’s wonderful new film about Transition in the village of Ungersheim, in englisch weiterlesen, hier.
„Worauf warten wir noch?“ (Trailer deutsch; Original mit Untertiteln) | Kinostart: 20.09.2018, hier.
Regisseur: Marie Monique Robin
Land: Frankreich
Jahr: 2016
Laufzeit: 119min.
Sprache: Französisch
Untertitel: Deutsch
Alter ab: 8
Ergänzende Lektürehinweise:
# Andreae, Steffen: Richtung ändern! Die wesentlichen Jahre. Aus den Anfangsjahren der Transformation. 2016.
# Amt für Bürgerservice und Informationsverarbeitung der Stadt Freiburg im Breisgau: Die Bevölkerung in den Freiburger Stadtbezirken 2014 bis 2030. In: Ebenda (Hrsg.): Kleinräumige Bevölkerungsvorausrechnung und Haushaltsvorausrechnung für Freiburg 2014 bis 2030. Tabelle 5. 2014, Seite 96.
# Hopkins, Rob: Einfach. Jetzt. Machen. Wie wir unsere Zukunft selbst in die Hand nehmen. 2013.
# Andreae, Steffen; Grundmann Matthias: Gemeinsam! Eine reale Utopie. 2012.
# P. M.: Kartoffeln und Computer. Märkte durch Gemeinschaften ersetzen. 2012.
# Wissenschaftlicher Beirat der Bundesregierung Globale Umweltveränderungen (WBGU): Welt im Wandel. Gesellschaftsvertrag für eine große Transformation. Hauptgutachten. 2011.
# Bergmann, Frithjof; Friedland, Stella: Neue Arbeit kompakt. Vision einer selbstbestimmten Gesellschaft. 2007.
Hintergrunddaten (Ort: Einwohnerzahl):
Ungersheim: 2500
Totnes: 8500
Freiburg-Vauban: ca. 5600
Freiburg-Ebnet: ca. 2500
Freiburg-Zähringen: ca. 8600
Freiburg-Oberau: ca. 6700
Freiburg-Lehen: ca. 2500
Freiburg-Opfingen: ca. 4400
Freiburg-Rieselfeld: ca. 9800
Freiburg-Dietenbach geplant: ca. 6300 (Prognose 2030)
Freiburg-Haslach-Egerten: ca. 6600
Freiburg-Haslach-Gartenstadt: ca. 7800
Freiburg-Haslach-Schildacker: ca. 700
Freiburg-Haslach-Haid: ca. 3800
Freiburg-Mittelwiehre: ca. 4600
Freiburg-Oberwiehre: ca. 6800
Freiburg-UnterwiehreNord: ca. 5100
Freiburg-UnterwiehreSüd: ca. 7600
Freiburg-Stühlinger-Escholz: ca. 6600
Freiburg-Alt-Stühlinger: ca. 9100
Freiburg-Littenweiler: ca. 7700
Freiburg-St. Georgen: ca. 11700
Freiburg-Kappel: ca. 2700
Freiburg-Waldsee: ca. 5500
Freiburg-Mooswald: ca. 8200
Freiburg-Brühl: ca. 6500
Freiburg-Weingarten : ca. 10500
Freiburg-Brühl-Beurbarung: ca. 2600
Freiburg-Betzenhausen-Bischofslinde: ca. 9000
Freiburg-Alt-Betzenhausen: ca: 5200
Freiburg-Landwasser: ca: 7000
Bolschweil: 2300
Bad Krozingen: ca. 18600
Bad Krozingen Tunsel: ca.
Stegen: 4400
Buchenbach: ca. 3000
Kirchzarten: ca. 9800
Merzhausen: ca. 5200
Lörrach: ca. 48100
Schopfheim im Wiesental: ca. 19000
Wiechs am Dinkelberg: ca. 1400
Murg am Hochrhein: ca. 6900
Schönau im Schwarzwald: ca. 2400
Basel: ca. 175000
Steinen (Baden): ca. 10.100
Comment
Jörg Beger
3. Oktober 2018 at 21:12Transition in Ungersheim.
Wie eine kleine elsässische Stadt ihren eigenen Transformationsprozess in die Post-Öl-Ära in Gang setzt.
Auf Initiative der Stadt Ungersheim startete 2009 ein partizipatives Demokratieprogramm mit dem Titel „21 Aktionen für das 21. Jahrhundert“, das alle Aspekte des täglichen Lebens umfasst: Ernährung, Energie, Verkehr, Wohnen, Geld, Arbeit und Schule. „Autonomie“ ist das Schlüsselwort des Programms, das darauf abzielt, die Nahrungsmittelproduktion zu verlagern, um die Abhängigkeit vom Öl zu verringern, die Energie – Bilanz und die Entwicklung erneuerbarer Energien zu fördern und die lokale Wirtschaft durch eine ergänzende Währung (den „Radis)“ zu unterstützen.
Seit 2005 hat die Gemeinde 120.000 Euro an Betriebskosten eingespart und ihre direkten Treibhausgasemissionen um 600 Tonnen pro Jahr reduziert. Sie hat hundert Arbeitsplätze geschaffen. Und sie hat ihre lokalen Steuern nicht erhöht.
Der Film wurde über vier Jahreszeiten gedreht, in einem entscheidenden Jahr, in dem fast das gesamte Übergangsprogramm abgeschlossen wurde. Wie ein „Werkzeugkasten“, aus dem sich ländliche Gemeinden oder Stadtteile inspirieren lassen können, zeigt diese Chronik des täglichen Übergangs das Glück und den Stolz, gemeinsam für diese große universelle Sache aktiv zu sein: den Schutz des Planeten. (Quelle: Verleih)
Original mit Untertiteln im November 2018 im Kommunale Kino.
„Worauf warten wir noch?“ (Trailer deutsch; Original mit Untertiteln) | Kinostart: 20.09.2018, hier.
https://www.koki-freiburg.de/spielplan
Jörg Beger
5. Oktober 2018 at 09:48Am 9. November, 19 Uhr gibts eine Filmvorführung und Gespräch mit dem Bürgermeister und der Filmemacherin im Kommunalen Kono.