Tomatendach im Freibohnengarten
Die Situation
Diesen Frühling wurde ich von einer Freundin in den urbanen Garten der Freibohnen in St. Georgen mitgenommen. Ich hatte Glück und durfte gleich mitplanen, was diese Saison angebaut wird: „Tomaten natürlich!“, dachte ich mir… wären da nur nicht die schlechten Erfahrungen vom Vorjahr gewesen: Damals ist den durstigen Pflänzchen die unregelmäßige Bewässerung gerade an den heißen Tagen nicht gut bekommen und die Ernte fiel entsprechend mager aus.
Der Grund dafür war zum einen, dass nicht jeden Tag jemand zum Gießen kommen konnte/wollte und zum anderen, dass es im Garten einfach nicht genug Wasser gab, mit dem Spontane mal eben gießen hätten können.
Ich selbst hatte aus der Zeit, als ich einmal auf einem Balkon Tomaten angepflanzt hatte, gute Erfahrungen mit einer Tröpfchenbewässerungsanlage gesammelt. An dieser Stelle sei gesagt: Ja, ich bin ein Bastler ;-) Der große Vorteil dieses konkreten Systems war, dass die Pflanzen von alleine bewässert wurden und auch immer nur dann, wenn die Erde trocken wurde. Das spart natürliches wertvolles Wasser! Warum das so wichtig ist?
Irgendwoher muss das Wasser natürlich kommen! Bisher wurde es müßhsam mit Gießkannen von den Fußballplätzen in der Nachbarschaft geholt oder hat kam (in sehr geringer Menge) auch durch den Regen, der direkt in die Tonne fiel, zustande. Auf gewisse Weise war dadurch die Menge an anspruchsvollen Pflanzen im Garten begrenzt. Alternativen?
Einen Wasseranschluss gab es nicht (das wäre ja auch zu einfach!), einen permanenten Schlauch legen? Denkste! Einen Brunnen bohren? Wäre sicher spannend gewesen – von hohen Kosten und vermutlich auftretenden Problemen bei der Genehmigung abgesehen, hätte uns aber auch niemand garantieren können, dass wir in vertretbarer Tiefe auf ausreichend Wasser stoßen…
Die Idee
Folglich blieb uns nur noch, die gesammelte Menge an Regenwasser zu erhöhen. Gerade Freiburg hat ja im deutschlandweiten Vergleich eine ziemlich hohe Niederschlagsmenge – das meiste davon kommt in den Sommermonaten runter: genau dann, wenn es gebraucht wird! (…zumindest statistisch) Warum also nicht nutzen?
Die Idee, ein Tomatendach aufzustellen, war somit geboren! Eines, das auch gleich die empfindlichen Tomaten vor Regen und somit vor der Kraut- und Braunfäule schützt (ein Pilz, der durch länger anhaltend nasse Blätter begünstigt wird). Das Regenwasser sollte aufgefangen und automatisch, also je nach Bedarf, wieder auf die Wurzeln verteilt werden. So würden die Tomaten auch mal ein paar heiße Tage überstehen, ohne, dass sich jemand um sie kümmern muss.
Als Ort für die Pflanzen wurde kurzerhand eines der Hügelbeete ausgewählt, das wir gerade mit Bokashi aufgewertet hatten. Dann ging es an die Arbeit:
Dachplanung
Zunächst musste die Größe des Dachs festgelegt werden. Die Höhe wurde auf etwa 2 m über dem Beet festgelegt, wobei natürlich eine gewisse Neigung einkalkuliert werden musste, damit das Wasser auch bei Wind nur auf einer Seite ankommt.
Wir hatten zu diesem Zeitpunkt schon etwa 30 Tomatenpflächen, die dringend ausgepflanzt werden wollten… auf dem Hügelbeet würden sie grob geschätzt etwa 3 bis 5 Meter in der Länge einnehmen. Eine Länge von 3,50 m erschien mir bei einer freistehenden Konstruktion ohne Mittelpfosten für das Dach gerade noch machbar. Das Beet an für sich ist etwa 1,30 m breit. Etwas Abstand in alle Richtungen zugeben ist sinnvoll (es regnet nicht nur waagrecht und in der Regel können Tomaten auch ganz schön breit werden).
Material
Mit dieser Information ging es dann zunächst ins Internet (gebrauchte transparente Welldächer? – leider Fehlanzeige) – dann also doch zum Baumarkt nebenan. Nach kurzer Beratung, Schnüffelprobe (iih, PVC!) und Praxiserfahrungen eines Kunden („diese Art von Dach hat bei meinem Nachbar den letzten massiven Hagelschauer ganz überlebt“) entschieden wir uns dann für Meterware aus 2 m breitem, glasfaserverstärktem Wellplastikmaterial, von dem uns 3,50 m abgeschnitten wurden. Dazu noch ein paar halbkreisförmige Plastik-Abstandshalter, um das ganze auch sachgemäß am Gebälk befestigen zu können. Insgesamt kamen wir, wenn ich mich recht erinnere auf ca. 45 €.
Für den Rest des Dachs brauchten wir eine ganze Menge Holz. Da der Baumarkt mit dem Dach schon genug Umsatz gemacht hatte und Upcycling das neue Kaufen ist, wollten wir alles übrige aus wiederverwendeten Paletten hergestellen.
Ich zog also mit Hannes los und nachdem wir uns je einen Anhänger ans Fahrrad montiert hatten (Danke, GartenCoop!), beluden wir diese mit insgesamt 13 gebrauchten Paletten und fuhren sie zum Garten.
Paletten filetieren
Der anstrengendste Part war dann sicherlich das Zerlegen der Paletten! So eine Palette wird von grob 80 Nägeln zusammengehalten, die mitunter ziemlich rostig sein können.
Eine eigens dafür angeschaffte Brechstange hat sich sehr schnell bezahlt gemacht. Kombiniert mit einem Hammer lassen sich die Balken und Bretter zunächst Stück für Stück auseinandertreiben. Die Nägel werden anschließend ggf. mit dem Hammer zurückgeschlagen, sodass der Kopf etwas heraussteht und dann wiederum mit dem Hahnenfuß der Brechstange herausgezogen. Mit dieser Technik bleiben die Latten in der Regel ganz (wenn sie nicht schon wie so oft vorher schon angerissen waren – in diesem Falle hat Ganze dann schon etwas von Filetieren).
Pfostenbau
Die dünnen Latten wurden versteift, indem sie rechtwinklig aneinander genagelt oder geschraubt wurden. Das ergab dann ziemlich stabile rechteckförmige „Rohre“ – von außen betrachtet Pfosten.
Da die Paletten-Latten nur etwa 1,20 m lang sind, die Pfosten aber teilweise 2,50 m lang werden sollten, mussten natürlich auch immer mehrere Latten hintereinander genagelt werden. Damit dies nicht zu Sollbruchstellen führt, wurden die Bretter immer reihum um 30 cm versetzt zusammengenagelt. So wurde jede „Verlängerung“ von den beiden benachbarten Brettern gestützt. Der ganze Prozess war schon sehr zeitintensiv – ich glaube nächstes Mal sollten wir uns einfach nach fertigen (vielleicht gebrauchten) Pfosten umschauen ;-) Zum Glück hatten wir auch noch eine Euro-Palette geschenkt bekommen (dadurch wurde mir erst einmal klar, wie niedrig die Qualität der bisherigen Paletten war!). Die Euro-Paletten-Latten waren aus viel härterem und dickeren Holz, sodass hier bereits zwei senkrecht aufeinander geschraubte Latten vergleichbare Stabilität ergaben wie ein Rohr aus vier „schlechten Latten“.
Aufstellen der Pfosten
Da wir auf dem Gartengelände nur „zu Gast“ sind (alles soll ohne großen Aufwand wieder entfernbar sein), fielen betonierte Fundamente aus. Stattdessen sollte das Dach in sich so steif sein, dass es auch ohne Fundament stehen bleibt. Natürlich musste es dann noch gegen ein Abheben bei Windböen gesichert werden: Die Pfosten wurden dafür einige Zentimeter vertieft im Erdboden eingelassen und durch diagonal eingeschlagene Anker aus Baustahl vom Abheben abgehalten.
Die Position der Löcher festzulegen war gar nicht so einfach – das Hügelbeet war ja schon im Weg und hat so das direkte Abmessen mit Latten oder Fäden auf Bodenhöhe verhindert / verfälscht. Nur mit senkrechten Stöcken und Messen in etwas Höhe ließ sich das umgehen. Damit das ganze nicht zum Parallelogramm wurde, wurden die beiden Diagonalen noch vergeglichen, bis alles gepasst hat.
Nun kamen die Pfosten: Das Dach würde wie gesagt am Ende in sich steif dastehen – das half nur leider am Anfang noch nicht! Die Pfosten wären für sich genommen ganz einfach umgefallen. Daher befestigte ich unten an jedem Pfosten einfach in allen vier Richtungen diagonale Stützen (Latten) mit je einer Schraube – so konnte man sie leicht korrigieren und in den Boden rammen, bis alles perfekt im Lot und an Ort und Stelle war. Bei der Feinjustierung half die Wasserwaage und eine Schnur, die ich auf einer waagerechten Ebene um die Balken geschnürt hatte. Das klingt einfacher, als es war – den Boden konnte man als Anhaltspunkt nämlich nicht heranziehen (etwa 30 cm Höhenunterschied von einem Balken zum nächsten). Dann erst konnte ich die exakte Länge abmessen (das Dach sollte ja eben und nicht in sich verwunden sein), anzeichnen und wieder zurück am Boden die Balken entsprechend absägen. Jetzt ließ sich die Größe des Daches schon ziemlich gut erahnen!
Querbalken
Die senkrechten Pfosten waren selbstverständlich nur der Anfang. Einer dauerhaften Querbelastung hätten die „Sollbruchstellen“ der Pfostenbautechnik wohl nicht allzulange standgehalten. Glücklicherweise erhält man aber mit jeder „geernteten“ Palette neben den Latten auch immer 3 vergleichsweise stabile Balken. Von diesen habe ich mehrere zur gewünschten Länge zusammengeschraubt: 3 x 3 m (etwa 3,40 lange Meta-Balken) und 2 x 2 m (etwa 2,30 m lange Meta-Balken). Da erste Tests ergaben, dass dies von der Stabilität noch nicht ganz ausreicht, kam dazu immer noch eine Schicht wasserfester Leim auf die sich überlappenden Flächen, der von den Schrauben gut angepresst wurde. Das Ergebnis war nun wesentlich überzeugender: Die Biegung fand nun gleichmäßig über die gesamte Länge statt.
Aus den Balken baute ich dann einen Rahmen, der gleich noch mit ein paar Querverstrebungen versteift wurde. Anschließend wurde auch schon das Welldach darauf befestigt (natürlich solange alles noch auf dem Boden lag – das Dach war ja nicht dafür ausgelegt, einen Menschen zu tragen und die Schrauben mussten nunmal von oben durch das Wellplastik).
Ein netter Passant kam gerade Recht, um mit mir das ganze Dach auf die Pfosten zu heben. Dort wurde es schnell mit ein paar Schraubzwingen fixiert, damit ich dann genug Zeit hatte, in Ruhe alles festzuschrauben.
Querversteifung
Noch war das Dach auf die Hilfsstützen am Boden angewiesen. Da diese aber von vorn herein nur als temporäre Lösung gedacht und im Weg waren, wurden sie gewissermaßen nach oben hin verlagert. Um die Stabilität zu erhöhen, wurden hier auch wieder die dicken Balken aus den Paletten verwendet. Da das Dach von den Bodenstützen doch noch etwas mehr Stabilität bekommt, wurden sie dann doch nicht alle entfernt.
Im Prinzip war das Dach jetzt fertig. Es fehlte aber noch eine…
Dachrinne
Ähnlich wie bei den Pfosten wurde hier aus breiteren Brettern ein U-Profil genagelt. Immer mit Bedacht darauf, die Spalte zwischen den hintereinanderfolgenden Brettern so klein wie möglich zu halten – dies würden sonst später für ein Durchhängen der Dachrinne sorgen, sodass das Wasser womöglich nicht mehr abfließen könnte. Die Rinne wurde mit dünner Teichfolie ausgekleidet, die nur an der Oberseite fixiert wurde (Reißnägel reichen hier völlig aus und durch ihren breiten Kopf reißt so schnell nichts ein – hmm, warum heißen sie denn dann so? ;-P). Darüber kam noch ein altes Fliegennetz, damit Blätter gar nicht erst in der Regenrinne landen und diese verstopfen können.
Die Dachrinne wurde dann einfach auf zwei „Galgen“ gelegt und von unten mit je einer Schraube fixiert.
Regentonne
Für den Regenspeicher habe ich extra eine große gebrauchte 300 l-Tonne gekauft. Diese wurde soweit wie möglich mit einem Palettenstapel aufgebockt, um später genug Druck für die Tröpfchenbewässerung bereitstellen zu können. Um überschüssiges Wasser nicht zu verlieren, habe ich noch ein verwinkeltes Abwasserrohr eingeklebt, das auf eine darunterstehende Tonne gerichtet werden kann. Oben in den Deckel kam ein Füllstandsanzeiger, der normalerweise für Öltanks Verwendung findet. So kann man schon von weitem objektiv beurteilen, wieviel Wasser in der Tonne ist (voll ist bei „70 cm“). Neben dem Anzeiger kam auch noch ein Filter auf den Deckel: Damit Dreck vom Dach oder Insekten (Fliegen, Stechmückenlarven, etc) nicht nachher das Schlauchsystem verstopfen. Der besteht aus zwei Plastikschüsseln, einem Stück Abwasserrohr, Sand und Fliegennetz. Leider war der Sand wesentlich dichter, als vermutet, weshalb er inzwischen durch feinen Splitt ersetzt wurde.
Bewässerungssystem
Wie bereits oben erwähnt hatte ich mal ein Bewässerungssystem, was zumindest auf dem Balkon ziemlich gut funktioniert hatte. Unsere Tomaten haben damals auch einen zweiwöchigen Urlaub gut überstanden. Natürlich ist das schon alles eine Spielerei und für größere Gärten sicherlich zuviel Arbeit – ich hatte die Komponenten aber noch bei mir herumliegen und so hatten wir nichts zu verlieren.
Das System funktioniert rein mechanisch / hydraulisch und basiert auf dem Prinzip eines Tensiometers. Statt einem Elektroniksensor ist hier eine Membran angebracht, die bei Unterdruck einen (im normal abgequetschten) Schlauch freigibt. Einfach gesagt: wird der Boden trocken, fängts an zu tropfen und umgekehrt.
Das ganze Prinzip kann man beliebig detailliert beschreiben, ich verweise einfach mal auf die Herstellerseite, dort wird das ganz einleuchtend erklärt.
Erfahrungen
Nun ist die Tomatensaison schon fast vorüber und wir können auf eine gute Ernte zurückblicken! Leider gab es diesen Sommer doch einige trockene Wochen in Reihe, wodurch das gespeicherte Regenwasser nicht mehr ausreichte. Spazierfahrten mit Regentonne auf dem Fahrradanhänger waren des öfteren nötig. Zweimal ist uns die Tonne und somit das Bewässerungssystem trockengelaufen, weil wir den Füllstand aus den Augen verloren hatten – das zog jedes Mal ein umständliches Neu-Einstell-Prozedere von zwei bis drei Stunden nach sich (alle Sensoren ausbuddeln, einweichen, Erde gut feucht machen, wieder einsetzen, kalibrieren). Noch größere Systeme dieser Art machen vermutlich irgendwann keinen Spaß mehr ;-) Für die Zukunft arbeite ich an einer Art Frühwarnsystem für zur Neige gehende Tonnen ;-)
Die Tomaten sind prächtig gediehen, obwohl der Garten bis zum Mittag über von großen Bäumen verschattet wird (mit der tieferen Sonne inzwischen sogar schon bis zum Nachmittag). Die Pflanzen ragen bis zum Dach und darüber hinaus, weshalb wir sie dann irgendwann kappen mussten. Auch ein Kürbis und ein paar Zucchini-Pflanzen genießen dank der automatischen Bewässerung ein All-You-Can-Drink-Dasein. Speziell der Kürbis hat sich richtig breit gemacht :)
Kurzum, ich denke die Chancen stehen gut, dass wir nächstes Jahr wieder Tomaten anbauen!
Comment
Ingrid Schröter
28. September 2015 at 12:48Hi Patrick,
du bist halt echt ein Tüftler, der keine Mühen scheut. Dafür wurdest du (ihr) dann mit reichlich Tomatensegen belohnt.
Wie wär’s mit Volkshochschulkursen für Euro-Paletten-Beginner? Kommt bestimmt gut an.
Weiterhin viel Erfolg und gute Ideen…
Deine treue Leserin
Marry