Wechselseitige Verantwortung in der Landwirtschaft

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Solidarische Landwirtschaft

Wechselseitige Verantwortung

von Katharina Kraiß und Thomas van Elsen

Lebensmittel verlieren ihren Preis – und bekommen ihren Wert zurück. Wie funktioniert das? Die Grundidee von Community Supported Agriculture (CSA) – wörtlich übersetzt „gemeinschaftsunterstützte Landwirtschaft“ – ist, dass ein Hof sein soziales Umfeld mit Lebensmitteln versorgt, während dieses umgekehrt für den Hof die nötigen finanziellen Mittel bereitstellt. Das Prinzip der Unterstützung ist gegenseitig, weshalb „Solidarhöfe“ eigentlich die treffendere Bezeichnung ist.

In der Solidarischen Landwirtschaft stehen eine Gruppe von Menschen und die Landwirte und Landwirtinnen in wechselseitiger Verantwortung. Es geht darum, einen weitestgehend geschlossenen Wirtschaftskreislauf aufzubauen, der über den landwirtschaftlichen Betrieb hinaus die Verbraucher(innen) seiner Erzeugnisse mit einbezieht. Ziele dieses Konzeptes sind zum einen, qualitativ hochwertige Lebensmittel zu erzeugen und einen gesunden Naturkreislauf zu erhalten und zu schützen. Zum anderen möchte CSA den Verbraucher(inne)n eine neue Verbindung zu dem Land und den Lebewesen, die ihnen das Leben ermöglichen, zugänglich und erfahrbar machen.

Alle CSA-Höfe in Deutschland wirtschaften ökologisch und (für ihre Mitglieder) ökonomisch transparent. Heute (Anm.: März 2011) gibt es in Deutschland 19 CSA-Höfe und 15 weitere Initiativen.

Ein Viertel Hektar reicht aus, um eine Person vollständig zu versorgen. Das Budget, das der Hof zum Bewirtschaften der Fläche braucht, wird offengelegt und durch die Anzahl der Mitglieder geteilt. Der Durchschnittsbeitrag liegt bei 120 Euro im Monat. Auf den meisten CSA-Höfen werden die Beiträge nach Selbsteinschätzung festgelegt, so dass ein sozialer Ausgleich stattfinden kann.

Viele Bezeichnungen, ein Prinzip

Im Juli 2011 gründeten die in Deutschland wirtschaftenden Höfe und interessierte Einzelpersonen das „Netzwerk Solidarische Landwirtschaft“, um die Entwicklung von Solidarhöfen zu unterstützen. (1) Damit schließt sich Deutschland einer weltweiten Bewegung an. (2) Seit den 1960er-Jahren entstanden in verschiedenen Teilen der Welt unabhängig voneinander Konzepte landwirtschaftlicher Wirtschaftsgemeinden, die die Landwirte von den ökonomischen Zwängen des Marktes entlasten. In den 1980er-Jahren wurde hierfür der Begriff Community Supported Agrculture geprägt, in Japan spricht man von Teikei, in Frankreich vom AMAP. Bekannter wurde der Begriff CSA in Deutschland erst vor wenigen Jahren durch die autobiografischen US-Kino-Film „Farmer John“ (2005). Gleichwohl funktioniert die erste Wirtschaftsgemeinschaft in Deutschland, der Buschberghof bei Hamburg, schon seit 1988 nach diesem Prinzip. Im Rahmen des „Förderpreis Ökologischer Landbau“ wurde der Buschberghof 2009 für seine Pionierleistung mit dem Ersten Preis ausgezeichnet.

Das Konzept landwirtschaftlicher Wirtschaftgemeinschaften erhebt den Anspruch auf konsequente Nachhaltigkeit. Die direkte Verbindung der Konsument(inn)en mit dem Land, auf dem ihre Lebensmittel hergestellt werden, soll das Bewusstsein für den Schutz natürlicher Ressourcen wie Boden und Grundwasser sowie einen verantwortungsvollen Umgang mit Menschen, Tieren und Pflanzen fördern. Umgekehrt entwickelt auch der Landwirt eine Verantwortlichkeit für die Menschen, deren Lebensmittel er erzeugt, und für die notwendigen Voraussetzungen: einen gesunden Boden und Betriebskreislauf.

Indem CSA die Lebensgrundlage einer Region vor Ort stärkt und für die kommenden Generationen bewahrt, stellt das Konzept eine Alternative zur gegenwärtigen Entwicklungstendenz in der Landwirtschaft dar, die durch Preisdruck, Wachstumszwang und Rationalisierung gekennzeichnet ist.

Anmerkungen:

(1) www.solidarische-landwirtschaft.org

(2) www.urgenci.net

Katharina Kraiß

E-Mail K.Kraiss [ät] web.de

Dr. Thomas van Elsen

Petrarca e.V., c/o Universität Kassel

Nordbahnhofstraße 1a

D-37213 Witzenhausen

E-Mail Thoms.vanElsen [ät] petrarca.info

In: oekom e.V. – Verein für ökologische Kommunikation (Hrsg.): Werternährung. Global denken – lokal säen. Politische Ökologie Jahrgang 30 (2012), Heft 128, Seite112-113.

 

Wenn Landwirte und Verbraucher gemeinsam wirtschaften: Community Supported Agricultur. Das ist Fair Trade vor Ort. 2011, hier.

 

Filmhinweise

The real dirt on farmer john, 2005

The Soil Solution to Climate Change, 2013

Die Strategie der krummen Gurken, 2013

Handeln und Lernen in der gemeinschaftsgetragenen Landwirtschaft, 2013

Community Supported Agriculture – Der Bauernhof der Zukunft?, 2013

Wo sind die guten alten Sorten? 2015

 

CSA in und um Freiburg im Breisgau, stand 2016

Kooperative GartenCoop Freiburg seit 2011, hier.

Luzernenhof Buggingen-Seefelden seit 2012, hier.

Lebensgarten Dreisamtal Kirchzarten seit 2013, hier.

Hof am Dorfbach Eichstetten seit 2016, hier.

Wurzelwerkstatt Emmendingen-Windenreute seit 2016, hier.

KulturAcker Freiburg i.Gr. 2016, hier:

 

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Bio-Korb vom Hof am Dorfbach, Eichstetten

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Comment

  • Jörg Beger

    15. November 2016 at 12:38

    Im September 2007 lief der Film “Farmer John – mit Mistgabel und Federboa” in deutschen Kinos. Mit Unterstützung von Demeter und Rapunzel war John Peterson, Filmemacher und Gründer von “Angelic Organics”, einer Familienfarm, die 1200 Familien mit frischem Obst und Gemüse in Bioqualität versorgt, damals auf Werbetour für seinen Film in Deutschland. Bei zunehmendem Bevölkerungsdruck und der Verknappung der Ressource Land findet die Idee der Familienfarmen als Zukunftsmodell für die sichere Versorgung mit hochwertigen Lebensmitteln auch hier immer mehr Anhänger. (26.2.2009) hier: https://www.sein.de/familienfarmen/

  • Jörg Beger

    15. November 2016 at 12:39

    Der Buschberghof aus Fuhlenhagen/Schleswig-Holstein wurde für sein Betriebskonzept mit dem bundesweiten Förderpreis Ökologischer Landbau 2009 ausgezeichnet, das die Produktion und die Direktversorgung der Verbraucher als Mitglieder einer Wirtschaftsgemeinschaft eng miteinander verknüpft. Dies bedingt die Beteiligung der Verbraucherinnen und Verbraucher an allen wichtigen Betriebsentscheidungen, aber auch an der betriebswirtschaftlichen Verantwortung. Daneben verfolgt der Hof im Rahmen der Therapeutischen Gemeinschaft der Landbauforschungsgesellschaft Fuhlenhagen die Integration von Menschen mit Behinderungen. Das Preisgeld betrug 7.500 Euro.

    „Mit ihrem Mut, der Kreativität und Risikobereitschaft, neue Wege einzuschlagen, sind die heutigen Preisträger Impulsgeber für andere Betriebe der Branche“, sagte die Bundesministerin für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz Ilse Aigner anlässlich der Verleihung. „Ihnen ist es hervorragend gelungen, neue Betriebskonzepte erfolgreich umzusetzen.“

    Der Förderpreis Ökologischer Landbau wird seit 2001 an jährlich drei ökologisch wirtschaftende Betriebe für die erfolgreiche Umsetzung besonders innovativer Konzepte vergeben.

    Hier: http://www.bmel.de/SharedDocs/Pressemitteilungen/2009/014-AI-Preistraeger-Foerderpreis-Oekolog-Landbau-IGW.html?nn=310770

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